Leitsatz (amtlich)
1. In Ermangelung einer dem § 85 AktG entsprechenden Vorschrift im GmbH-Gesetz richtet sich die Bestellung eines Notgeschäftsführers für eine GmbH nach § 29 BGB, mit der Folge, dass ein solcher zu bestellen ist, falls es an einem erforderlichen Geschäftsführer fehlt und ein dringender Fall vorliegt.
2. Die unklare Vertretung der Gesellschaft (hier ist infolge Beschlüssen der Gesellschafterversammlung derzeit unklar, ob die betroffene Gesellschaft über einen oder zwei Geschäftsführer verfügt; über die Anfechtungsklage eines der beiden Gesellschaftergeschäftsführer ist noch nicht rechtskräftig entschieden.) rechtfertigt die Beurteilung, dass ihr ein Geschäftsführer im Rechtssinne fehle; hierbei ist ohne Belang, ob und in welchem Umfang ein Gesellschafter rechtlich in der Lage und tatsächlich bereit ist, an Handlungen der Geschäftsführung und der Vertretung der betroffenen Gesellschaft mitzuwirken und was der Geschäftsverkehr bezüglich der Vertretung von der betroffenen Gesellschaft tatsächlich "erwartet".
3. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers erweist sich als dringlich, wenn - wie hier - die GmbH hinsichtlich ihrer Arbeitnehmer sowie bezüglich des Kooperationsvertrages mit ihrer Vertriebs-GmbH in Dauerschuldverhältnissen steht, auf regelmäßige Zahlungsflüsse über Konten angewiesen ist und nicht ernsthaft erwartet werden kann, dass die beiden Gesellschafter in absehbarer Zeit eine Einigung über die Vertretung der Gesellschaft erzielen werden.
4. Die Auswahl des Notgeschäftsführers durch das Registergericht ist nicht schon deshalb fehlerhaft, weil er in einer nicht über gesellschaftliche Kontakte hinaus gehenden persönlichen Nähe zu einem der Gesellschafter und dessen Ehegatten steht.
Normenkette
BGB § 29; GmbHG § 46 Nr. 5; FamFG § 59 Abs. 1, § 383 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Duisburg (Beschluss vom 06.10.2015; Aktenzeichen HRB) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird auf Kosten des Beteiligten zu 2. zurückgewiesen.
Geschäftswert: 60.000 Euro
Gründe
I. 1986 errichteten die Beteiligten zu 1. und 2. - zu diesem Zeitpunkt bereits geschiedene Eheleute - die betroffene Gesellschaft und übernahmen jeweils 50 % der Geschäftsanteile. In der ersten Gesellschafterversammlung wurde beschlossen, der Beteiligte zu 2. und die Beteiligte zu 1. würden zu Geschäftsführern bestellt und verträten die Gesellschaft gemeinsam. Unter dem 14.12.1990 wurde der Gesellschaftsvertrag vollständig neu gefasst. Die die Geschäftsführung betreffenden Regelungen im neuen § 6 lauteten unter anderem:
"(1) Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer.
...
(3) Hat die Gesellschaft einen Geschäftsführer, wird sie durch ihn allein vertreten. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft entweder durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Auch bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer kann die Gesellschafterversammlung einzelnen oder allen Geschäftsführern Alleinvertretungsbefugnis erteilen und sie von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien ..."
Die betroffene Gesellschaft entwickelt, vertreibt und wartet Software für Versicherungsunternehmen. 2004 wurde - zumindest im Geschäftsverkehr - der Vertrieb auf eine weitere Gesellschaft, gleichfalls eine GmbH, an der die Beteiligten zu 2. und 1. zu jeweils 50 % beteiligt waren, unter Abschluss eines Kooperationsvertrages vom 30.11.2004 ausgegliedert.
Am 11. und am 23.3.2015 fanden Gesellschafterversammlungen statt.
Am 31.3.2015 beantragte die betroffene Gesellschaft, die Abberufung des Beteiligten zu 2. als Geschäftsführer in das Handelsregister einzutragen. Mit Schrift vom 20.4.2015 erhob der Beteiligte zu 2. Klage gegen die betroffene Gesellschaft und beantragte, verschiedene Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 23.3.2015 für nichtig zu erklären, darunter diejenigen, er sei mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer der Gesellschaft aus wichtigem Grund abberufen, und, sein Geschäftsanteil werde zwangsweise aus wichtigem Grund eingezogen. Die Klageanträge begründete er eingehend unter anderem mit Einladungsmängeln, mit Mängeln bei der Durchführung der Versammlung sowie vor allem mit dem Fehlen eines die Beschlüsse stützenden wichtigen Grundes. In diesem Rechtsstreit läuft derzeit das Berufungsverfahren, ein Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht hat noch nicht stattgefunden. Bis zur abschließenden Entscheidung über die genannte Anfechtungsklage des Beteiligten zu 2. hat das Registergericht das Verfahren über den Eintragungsantrag vom 31.3.2015 mit Beschluss vom 7.8.2015 ausgesetzt; zur Begründung hat es angeführt, ob eine wirksame Abberufung erfolgt sei oder nicht, könne nicht im Registerverfahren geklärt werden, so dass der Ausgang des Anfechtungsprozesses abzuwarten bleibe.
Darüber hinaus erging auf Antrag der betroffenen Gesellschaft vom 21.4.2015 eine einstweilige Verfügung gegen den Beteiligten zu 2., mit der es diesem bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Klärung seiner Abberufung ...