Leitsatz (amtlich)
1. Das Informationsrecht nach § 131 AktG wird nicht schon allein dadurch, dass gerichtlich zu einem bestimmten Vorgang der Geschäftsführung die Durchführung einer Sonderprüfung angeordnet ist, immanent eingeschränkt. Es bedarf daher im Einzelfall der Prüfung, ob die begehrte Auskunft, auch wenn sie im Zusammenhang mit einem Vorgang der Geschäftsführung in einem früheren Geschäftsjahr steht, gleichwohl noch bewertungsrelevant für einen aktuellen Tagesordnungspunkt ist.
2. Für die Entlastung der Organmitglieder sind Vorgänge aus dem Zeitraum vor dem behandelten Geschäftsjahr nur dann von Relevanz, wenn für diesen Zeitraum noch nicht über die Entlastung beschlossen wurde oder Ereignisse aus diesem Zeitraum in die Berichtsperiode hineinwirken, wofür eine bloße Dauerwirkung allein nicht genügt.
3. War der Verdacht einer Pflichtverletzung der Organmitglieder schon Gegenstand einer früheren Hauptversammlung, weil im Rahmen dieser die Bestellung eines Sonderprüfers nach § 142 Abs. 1 AktG beantragt worden ist, kann der Aktionär in einer späteren Hauptversammlung Auskunft über den zugrundeliegenden Vorgang nur dann verlangen, wenn dies bewertungsrelevant für einen aktuellen Tagesordnungspunkt ist, so etwa wenn ein aktueller Pflichtenverstoß der Organmitglieder im maßgeblichen Geschäftsjahr hinzutritt.
Normenkette
AktG §§ 131-132, 142
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 82 O 56/19) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 17.01.2020 gegen den Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 20.12.2019 - 82 O 56/19 - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 18.02.2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Geschäftswert wird für beide Instanzen auf jeweils 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Aktionär der H. Immobilien AG (nachfolgend: Antragsgegnerin). Diese ist das größte Wohnungsunternehmen im Raum X., an dem die Stadt X. mit über 88 % als Hauptaktionärin beteiligt ist. Seit dem 01.12.2016 wird die Aktie nicht mehr im allgemeinen Freiverkehr an der Börse Düsseldorf gehandelt. Zum 31.12.2016 bewirtschaftete die Antragsgegnerin einen Immobilienbestand von insgesamt ... Wohnungen, ... Gewerbeeinheiten und ... Garagen und Tiefgaragenplätzen, von denen sich ... Wohnungen, ... Gewerbeeinheiten sowie ... Garagen bzw. Tiefgaragenplätze im Eigentum der Gesellschaft befanden.
Auf den Antrag verschiedener Minderheitsaktionäre der Antragsgegnerin hatte das Landgericht Köln mit Beschluss vom 11.07.2018 zur Prüfung von Vorgängen bei der Geschäftsführung im Geschäftsjahr 2016 gem. § 142 Abs. 2 Satz 2 AktG einen Sonderprüfer bestellt (82 O 96/17 Landgericht Köln), nachdem zuvor im Rahmen der jährlichen Hauptversammlung am 19.05.2017 ein entsprechender Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers wie auch daran anknüpfende Vertagungsanträge zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4 (Entlastung Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2016) gescheitert waren. Gegenstand der Sonderprüfung sind die u.a. schon in der Hauptversammlung 2017 thematisierten Fragen, ob die 2016 von der Antragsgegnerin übernommenen rd. 1.200 Wohnungen in X.-Y. zu angemessenen Bedingungen angekauft worden sind und ob ein für das Unternehmen wirtschaftlicher Belegungsrechtsvertrag mit der Stadt X. abgeschlossen wurde. Zugrunde liegt der Vorwurf der antragstellenden Aktionäre, die Stadt X. habe veranlasst, dass für die 2016 erworbenen, unter Zwangsverwaltung stehenden Immobilien in Y. der 2,6-fache Verkehrswert bezahlt worden sei. Dadurch und durch die Einräumung von Belegungsrechten an rd. 9.900 Wohnungen zugunsten der Stadt X. sei ihnen ein Schaden entstanden. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin ist durch Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 20.02.2019 zurückgewiesen worden (I-18 W 62/18, juris). Zur Begründung hat der Senat u.a. ausgeführt, es bestehe der Verdacht, dass es bei dem Vorgang zu groben Verletzungen des Gesetzes und/oder der Satzung gekommen sei. Öffentliche Erklärungen des Stadtrats und des damaligen X.er Oberbürgermeisters sprächen für eine von kommunalpolitischen Erwägungen getragene Einflussnahme der Stadt auf die Kaufentscheidung. Zudem sei vor dem Kauf der Immobilien kein Gutachten zum objektiven Verkehrswert eingeholt worden.
Die Tagesordnung der nachfolgenden, hier streitgegenständlichen Hauptversammlung vom 12.06.2019 sah u.a. die Vorlage des festgestellten Jahresabschlusses der Antragsgegnerin und des gebilligten Konzernabschlusses per 31.12.2018, der entsprechenden Lageberichte und des Berichts des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2018 (TOP 1), die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2018 i.H.v. ... EUR (TOP 2) sowie über die Entlastung des Vorstands und der (15) Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2018 (TOP 3 und 4) vor.
In dieser Hauptversammlung richtete der Antragsteller im Rahmen der zu allen Tagesordnungspunkten angeordneten Generaldebatte u.a. die nachfolgenden 10 Fragen an die An...