Leitsatz (amtlich)
Die Behandlung etwaiger Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ehemalige Organmitglieder kann wesentlich für die von den Aktionären zu treffende Entscheidung sein, ob dem amtierenden Aufsichtsrat Entlastung erteilt und Vertrauen für die Zukunft ausgesprochen werden kann.
Angesichts der existenziellen Krise der IKB im Jahr 2007 - sowie des inzwischen in zahlreichen gerichtlichen Verfahren beleuchteten und im Abschlussbericht des Sonderprüfers festgestellten Fehlverhaltens ehemaliger Organmitglieder - dürfen Aktionäre nähere Auskunft zu den Hintergründen der Entscheidung verlangen, die Verfolgung etwaiger Haftungsansprüche gegen frühere Organmitglieder bis zu einem Zeitpunkt zurückzustellen, zu dem sich "die forensische Gesamtlage beruhigt hat".
Normenkette
AktG § 99 Abs. 1, § 132 Abs. 3, § 131 Abs. 1 S. 1, § 132; FamFG § 63 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 31.01.2014; Aktenzeichen 33 O 111/13 [AktE]) |
Tenor
Die Beschwerden gegen den Beschluss der 3. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 31.1.2014 - 33 O 111/13 [AktE] - werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin zu 1/5, die Antragsgegnerin zu 4/5.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf insgesamt 11.775 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Antragstellerin ist Aktionärin der Antragsgegnerin.
Im Jahr 2007 geriet die Antragsgegnerin in eine existenzbedrohende Krise, nachdem sie bzw. von ihr beratene Zweckgesellschaften u.a. in hochspekulative und hochdiversifizierte US-amerikanische Kreditverbriefungen - darunter sog. Subprimes - investiert hatten. Die eingegangenen Risiken überstiegen bei weitem die Risikotragfähigkeit der Antragsgegnerin. Um die drohende Zahlungsunfähigkeit und Schließung der Bank zu vermeiden, richteten die KfW Bankengruppe (KfW) - damals größte Aktionärin der Antragsgegnerin-, die Bankenaufsicht und andere Organisationen im Juli 2007 einen "Risikoschirm" ein. Die KfW übernahm u.a. Liquiditätslinien der Antragsgegnerin gegenüber der Zweckgesellschaft "R." i.H.v. 8,1 Mrd. EUR. Aufsichtsrat und Vorstand wurden weitgehend ausgetauscht, Konzernabschluss und Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2006/2007 nachträglich massiv nach unten korrigiert. Der nachträglich geänderte Jahresabschluss und Lagebericht der Antragsgegnerin (dort S. 16) stellt fest, dass "zentraler Kritikpunkt Schwachstellen bei der Risikoanalyse, Risikosteuerung und dem Berichtswesen" und erworbene Wertpapiere nicht ausreichend geprüft und analysiert worden seien. In der ersten Hauptversammlung nach der Krise wurde mehrheitlich beschlossen, einen Sonderprüfer zu bestellen zur Untersuchung möglicher Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichtsrat im Zusammenhang mit den Umständen, die zu der Krise geführt hatten (Anlage AG 4, dort Anl. 5).
Im Zuge der Bewältigung der Krise übertrug die KfW im Oktober 2008 ihre Beteiligung am Grundkapital der Antragsgegnerin von rd. 90,8 % auf die zum US-amerikanischen Finanzinvestor M. gehörende Gesellschaft MS. Im Zuge dieser Transaktion wurde unter dem 10./16.9.2008 eine Vereinbarung geschlossen, in der sich die KfW verpflichtete, die Antragsgegnerin in bestimmtem Umfang von Ansprüchen aus Rechtsstreitigkeiten bis zu einer Höhe von 1,1 Mrd. EUR freizustellen (dazu ausführlich: Senat, Beschluss vom 18.2.2013, I-26 W 21/12 (AktE), S. 3 f.). In der Folgezeit wurde die Antragsgegnerin vor Gerichten in London, New York und Jersey von dem US-amerikanischen Anleiheversicherer G. und D. auf Schadensersatz i.H.v. mehr als 1,8 Mrd. EUR bzw. 1,675 Mrd. USD verklagt.
Der zunächst gefasste Beschluss über die Durchführung einer Sonderprüfung wurde mit den Stimmen der neuen Mehrheitsaktionärin aufgehoben (Anlage AG 8 S. 15 f.). Nach deren Ansicht bestand kein Anlass zu Zweifeln, dass Vorstand und Aufsichtsrat pflichtgemäß prüften, ob ehemalige Organmitglieder Pflichtverletzungen begangen hatten; eine "angemessene gesellschaftsinterne Befassung mit derartigen Angelegenheiten" sei möglich und im Gesellschaftsinteresse geboten. Daraufhin haben Minderheitsaktionäre die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers gem. § 142 AktG gefordert. Das LG Düsseldorf - 1. Kammer für Handelssachen - hat dem Antrag stattgegeben; dagegen gerichtete Rechtsmittel der Antragsgegnerin blieben ohne Erfolg (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.12.2009 - I-6 W 45/09; BGH, Beschl. v. 1.3.2010 - II ZB 1/10, jeweils zitiert aus JURIS). Der im Februar 2014 fertiggestellte, mehr als 1.800 Seiten umfassende Sonderprüfungsbericht stellt fest, dass es zu mehreren Pflichtverletzungen ehemaliger Vorstandsmitglieder, so auch im Zusammenhang mit der Herausgabe einer irreführenden Pressemitteilung am 20.7.2007 und der Beantwortung einer Anfrage der Bundesbank vom 29.3.2007, gekommen sei.
Inzwischen ist der ehemalige Vorstandssprecher der Antragsgegnerin rechtskräftig wegen vorsätzlicher Marktmanipulation zu zehn Monaten Freiheitsstr...