Verfahrensgang

BKartA (Entscheidung vom 19.08.2010; Aktenzeichen B 8 - 40/10)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 18.10.2011; Aktenzeichen KVR 9/11)

 

Tenor

Auf Antrag des Antragstellers wird die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde gegen den Auskunftsbeschluss des Bundeskartellamts vom 19. August 2010 (B 8 - 40/10) angeordnet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Das Bundeskartellamt, an das die Landeskartellbehörde Berlin das Verfahren gemäß § 49 Abs. 2 GWB abgegeben hat, führt gegen die Berliner Wasserbetriebe A.ö.R (BWB), gestützt auf § 19 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 GWB sowie § 131 Abs. 6 GWB i.V.m. § 103 Abs. 5, Abs. 7 und § 22 Abs. 5 GWB 1990, ein Verfahren wegen des Verdachts missbräuchlich überhöhter Trinkwasserpreise durch. Die BWB berechnen ihren Kunden nach Maßgabe des § 16 BerlBG privatrechtliche Entgelte. Die Preise der BWB je m³ Wasser sind nach den Ermittlungen des Amtes deutlich höher als die in anderen Großstädten.

Um Informationen über Entgelte, Kosten und Erlöse in möglichen Vergleichsgebieten zu erlangen, hat das Amt Auskunftsbeschlüsse gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB gegen insgesamt 45 Trinkwasserversorgungsunternehmen erlassen, darunter der Antragsteller.

Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen auf Grund des brandenburgischen Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit gebildeten Wasser- und Abwasserzweckverband. Nach §§ 5, 7 der Satzung über die Wasserversorgung besteht ein Anschluss- und Benutzungszwang. Gemäß § 24 Abs. 2 werden für die Benutzung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage nach Maßgabe der Satzung über die Gebühren für die Wasserversorgung Gebühren erhoben.

Der Antragsteller hat gegen den Auskunftsbeschluss Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, er sei auf Grund der hoheitlichen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses über die Trinkwasserversorgung zwischen ihm und dem Empfänger nicht als Unternehmen im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB anzusehen. Er beantragt daher, gestützt auf § 65 Abs. 3 S. 3 i.V.m. S. 1 Nr. 2 GWB,

die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde gegen den Auskunftsbeschluss vom 19. August 2010 anzuordnen.

Das Amt beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Es ist der Auffassung, die Trinkwasserversorgung stelle - auch wenn sie gegenüber dem Kunden auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erfolge - keine dem Geltungsbereich des GWB entzogene Tätigkeit dar, vielmehr sei sie als unternehmerische Tätigkeit anzusehen. Jedenfalls seien die Versorger im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB als "Unternehmen" anzusehen, weil andernfalls in gewissen Branchen eine Grundlage für einen aussagekräftigen Vergleich der Preise und Erlöse verschiedener Versorger nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten ermittelt werden könnte; es sei zu berücksichtigen, dass es nicht um ein gegen den Antragstellerin gerichtetes Verwaltungsverfahren wegen der von ihm festgesetzten Entgelte, sondern nur um Auskunftserteilung gehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten und den Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

II.

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde gegen den Auskunftsbeschluss des Bundeskartellamts vom 19. August 2010 anzuordnen, ist begründet.

Gemäß § 65 Abs. 3 S. 3 GWB (i.V.m. S. 1 Nr. 2, Nr. 3) kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung einer - nicht unter § 64 GWB fallenden und damit sofort vollziehbaren - Entscheidung der Kartellbehörde dann anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses, so dass die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des Antragstellers anzuordnen ist. Ein Ermessen steht dem Senat dabei nicht zu.

Der Antragsteller ist nämlich kein Unternehmen im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB.

1.

Allerdings steht der Rechtscharakter des Antragstellers, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, einer Einordnung als Unternehmen im Sinne des GWB nicht von vornherein entgegen (§ 130 Abs. 1 S. 1 GWB). Es gilt vielmehr ein funktionaler Unternehmensbegriff. Danach unterliegt die Tätigkeit des Staates dann dem GWB, wenn er sich auf dem Markt als Anbieter (zur Nachfrage des Staates nach Leistungen s. BGH WuW/E DE-R 2161 - Tariftreueerklärung III) wirtschaftlicher Leistungen betätigt (BGH WuW/E DE-R 289 - Lottospielgemeinschaft; Stadler, in Langen/Bunte, GWB, 11. Aufl., § 130 Rdnr. 17 m.w.N.; vgl. auch 18. Hauptgutachten der Monopolkommission, BT-Drs. 17/2600, Rdnrn. 398 ff. m.w.N.).

Demgegenüber gilt das GWB nicht für die hoheitliche Tätigkeit des Staates. Unabhängig von der Frage, ob hier allein die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Antragsteller und den Verbrauchern für eine derartige Qualifikation ausreicht oder nicht, ist die Versorgungstätigkeit des Antragstellers jedenfalls wegen des Anschluss- und Benutzungszwa...

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