Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe für Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG; keine Mutwilligkeit bei nicht geltend gemachten Einwendungen im vereinfachten Verfahren nach § 252 Abs. 4 FamFG
Leitsatz (amtlich)
Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für ein Abänderungsverfahren kann nicht wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung nach §§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO, 76 Abs. 1 FamFG zurückgewiesen werden, wenn der Antragsteller in einem vorangegangenen vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger keine Einwendungen gegen seine Unterhaltsverpflichtung gemäß § 252 Abs. 4 FamFG vorgebracht hat; Anschluss an OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.05.2021, 11 WF 171/20.
Normenkette
FamFG § 76 Abs. 1 i.V.m, § 252 Abs. 4; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Moers (Aktenzeichen 490 F 145/22) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Moers vom 08.08.2022 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragstellers zurückverwiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist vorläufig begründet und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
1. Der Senat folgt nicht der Ansicht des Amtsgerichts, dass das Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragstellers wegen Mutwilligkeit zurückzuweisen ist.
Das Amtsgericht hat zur Begründung seiner Rechtsauffassung, dass der Antragsteller seine Einwendungen gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren gem. § 252 Abs. 4 FamFG hätte vortragen und damit die durch ein Abänderungsverfahren entstehenden Kosten hätte vermeiden können, weswegen von einer Mutwilligkeit des VKH-Begehrens auszugehen sei, auf die Fundstelle in Niepmann/Seiler, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 14. Auflage, Rn. 211 (nicht: Rn. 11), verwiesen. Dort wird zur Begründung dieser Ansicht auf eine Entscheidung des OLG Celle (Beschluss vom 29.05.2013, 10 WF 100/13, FamRZ 2013, 1592) Bezug genommen.
Dieser Auffassung ist das OLG Stuttgart mit Beschluss vom 28.01.2021 (11 WF 171/20; zustimmend: Dürbeck in: Prütting/Helms, FamFG, § 76 Voraussetzungen Rn. 50) mit überzeugender Begründung, der sich der Senat ausdrücklich anschließt, entgegengetreten und führt dort wie folgt aus: Denn das Verfahren nach § 240 FamFG bildet gerade ein Korrektiv dafür, dass das vereinfachte Verfahren dem Kind schnell zu einem Unterhaltstitel verhelfen soll und deshalb einerseits die Unterhaltsfestsetzung der Höhe nach beschränkt ist, andererseits die Einwendungsmöglichkeiten des Schuldners stark begrenzt sind (Ehinger/Rasch/Schwonberg/Siede, Handbuch Unterhaltsrecht, 8. Aufl. 2018, Kap. 11 Rn. 11.590). Der Antragsteller nutzt lediglich die ihm gewährten verfahrensrechtlichen Befugnisse, die vom Gesetzgeber angesichts des besonderen Charakters des vereinfachten Unterhaltsverfahrens vorgesehen wurden. Hier ist zudem zu berücksichtigen, dass der Schuldner der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig ist und daher vermutlich mehr Zeit als andere Beteiligte aufwenden muss, um den Inhalt an ihn gerichteter Schreiben - unter Umständen erst nach Übersetzung durch eine dritte Person - zu erfassen und darauf, ebenfalls in deutscher Sprache, zu reagieren.
Auch die vom OLG Stuttgart zusätzlich berücksichtigte Erwägung, dass bei Unterhaltsschuldnern, die der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig sind, kein strenger Maßstab an die Mutwilligkeit anzulegen ist, gilt ebenso im vorliegenden Verfahren, da der Antragsteller nach seinem Vortrag nur rudimentäre passive Sprachkenntnisse hat.
2. Eine eigene Entscheidung des Senats über das Verfahrenskostenhilfegesuch ist nicht angezeigt, da das Amtsgericht noch nicht die Bedürftigkeit des Antragstellers und die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung geprüft hat. Das Amtsgericht wird daher unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die beantragte Verfahrenskostenhilfe zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 15635825 |
MDR 2023, 733 |
FF 2023, 218 |
FamRB 2023, 226 |
NZFam 2023, 519 |