Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe für das Abänderungsverfahren bei vorausgegangenem vereinfachten Unterhaltsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Zur verfahrenskostenhilferechtlichen Mutwilligkeit des nicht rechtzeitigen Vorbringens zur eingeschränkten Leistungsfähigkeit im vorausgegangenen vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren.
2. Die erstmalige rechtzeitige Behauptung eingeschränkter Leistungsfähigkeit im Abänderungsverfahren gemäß § 240 FamFG stellt sich bei vorausgegangenem vereinfachten Unterhaltsverfahren als mutwillig dar, wenn entsprechendes Vorbringen dort versäumt wurde.
3. Ein wirtschaftlich leistungsfähiger Beteiligter hätte zur Vermeidung der Kosten des Abänderungsverfahrens den Einwand fehlender Leistungsfähigkeit bereits im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren rechtzeitig und ordnungsgemäß erhoben. In diesem Fall wäre der im Abänderungsverfahren bekämpfte Titel bereits nicht erlassen worden.
Normenkette
FamFG § 113 Abs. 1; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Aschaffenburg (Aktenzeichen 3 F 1200/22) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 01.12.2022, Az. 3 F 1200/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Abänderungsverfahren betreffend einen Titel über Kindesunterhalt.
1. Mit Schreiben vom 30.05.2022 beantragte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle ... - die Festsetzung der Verpflichtung zur Zahlung von gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 4 UVG übergegangenem und zukünftigem Kindesunterhalt gegen die Beschwerdeführerin im vereinfachten Unterhaltsverfahren gemäß §§ 249ff FamFG. Nachdem die Beschwerdeführerin binnen eines Monats (§ 251 Abs. 1 Nr. 3 FamFG) keine Einwendungen erhob, verpflichtete das Amtsgericht sie mit Beschluss gemäß § 253 FamFG vom 21.07.2022 zur Zahlung von Kindesunterhalt für das Kind K ab dem 01.06.2022 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des vollen Kindergeldes für ein erstes Kind sowie zur Zahlung von rückständigem Unterhalt für den Zeitraum 01.11.2021 bis 31.05.2022 in Höhe von 2.188,00 EUR.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.08.2022 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss, wobei sie sich auf eine fehlende Leistungsfähigkeit zur Zahlung des Kindesunterhalts berief. Die Beschwerde wurde mit Beschluss des Senats vom 19.10.2022 (Az. 2 WF 168/22) als unzulässig verworfen und ein Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zurückgewiesen. Zur Begründung verwies der Senat auf den Einwendungsausschluss gemäß § 252 Abs. 4 i.V.m. § 256 Satz 2 FamFG.
Mit Schriftsatz vom 07.10.2022 beantragte die Beschwerdeführerin im Rahmen eines Abänderungsverfahrens gemäß § 240 FamFG festzustellen, dass sie in Abänderung des Beschlusses vom 21.07.2022 nicht zur Zahlung von Unterhalt für das Kind K verpflichtet sei. Weiterhin beantragte sie die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung des Verfahrens.
Der Antragsgegner wandte sich mit Schriftsatz vom 24.11.2022 gegen die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, da diese im Hinblick auf den nicht rechtzeitigen Einwand fehlender Leistungsfähigkeit im vorhergehenden vereinfachten Unterhaltsverfahren mutwillig sei. Hilfsweise sei zudem auch die Leistungsunfähigkeit nicht schlüssig dargelegt.
2. Mit Beschluss vom 01.12.2022 hat das Amtsgericht die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt. Die Rechtsverfolgung sei mutwillig im Sinne von § 114 ZPO, da ihr mit der Möglichkeit des Einwands der Leistungsunfähigkeit im vereinfachten Unterhaltsverfahren eine einfachere und billigere Möglichkeit der Geltendmachung eröffnet gewesen wäre.
3. Gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 02.12.2022 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 08.12.2022 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie sei aufgrund der Betreuung dreier minderjähriger Kinder offenkundig nicht in der Lage, den festgesetzten Unterhalt zu zahlen, so dass die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg habe. Auch entstünden im Rahmen des Abänderungsverfahrens keine anderen Kosten als im vereinfachten Unterhaltsverfahren. Für dieses wäre der Beschwerdeführerin Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen gewesen. Aus der gesetzlichen Regelung des Abänderungsverfahren ergebe sich ferner, dass Vortrag im Abänderungsverfahren nicht wegen der Möglichkeit der früheren Geltendmachung im vereinfachten Unterhaltsverfahren präkludiert sei und der Gesetzgeber die Möglichkeit schaffen wollte, materiell-rechtlich falsche Entscheidungen wieder zu korrigieren. Die Wahrnehmung dieser Möglichkeit sei nicht mutwillig.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 09.12.2022 unter Bezugnahme auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung nicht abgeholfen. Mit Beschluss vom 13.02.2023 hat der Einzelrichter das Verfahren dem Senat zur Entscheidung...