Leitsatz (amtlich)

1. Wegen fehlerhafter Beratung des Mandanten über dessen Pflichten während der Insolvenzreife kann der Rechtsanwalt vom Insolvenzverwalter nur in Regress genommen werden, wenn die geschuldete Beratung einen Schaden der Insolvenzgläubiger vermieden hätte.

2. Hätte der Mandant bei Insolvenzreife gegen Zuführung neuer Mittel durch einen Unterhaltspflichtigen auf notwendigen Unterhalt verzichtet, wäre die Insolvenzmasse nicht verkürzt worden.

3. Die Insolvenzgläubiger des Mandanten stehen nicht im Schutzbereich eines Anwaltsdienstvertrages, der die Beratung des Mandanten wegen drohender Insolvenz bezweckt.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 611, 280; InsO § 36 Abs. 1, § 92; ZPO § 850b Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 30.04.2009; Aktenzeichen 1 O 396/08)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 30.4.2009 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Zur Begründung verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 14.1.2010, an dessen Gründen er festhält.

I. In dem Beschluss hat der Senat im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

1. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus fremdem Recht der Insolvenzschuldnerin D. (im Folgenden: Mandantin) gegen den Beklagten aus defizitärer Beratung und Vertretung im Rahmen des erteilten Mandats scheitert daran, dass ein Schaden vom Kläger nicht schlüssig dargelegt wurde. Ist ein Schadensersatzanspruch aber gar nicht entstanden, so kann er auch nicht in die Insolvenzmasse gefallen sein.

Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (= Insolvenzmasse). Ein der Mandantin zustehendes Recht, vom Beklagten Schadensersatz zu verlangen, kann mithin nur zum Bestandteil der Insolvenzmasse geworden sein, wenn es vor der Insolvenzeröffnung entstanden ist bzw. im Laufe des Verfahrens entsteht. Beides ist nicht der Fall.

a. Allerdings geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass der Beklagte die Mandantin nicht umfassend beraten hat.

Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt zu einer allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung verpflichtet, soweit sein Auftraggeber nicht unzweideutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf (BGHZ 87, 178 (182); BGH NJW 1985, 264 (265); NJW 2001, 202; 292; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rz. 560 m.w.N.). Der Mandant, der einen Schadensersatzanspruch geltend macht, ist nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der Rechtsanwalt durch fehlerhafte oder unterlassene Beratung seine Pflichten verletzt hat (BGH NJW 1985, 264; 1999, 2437; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 952 m.w.N.). Besteht der behauptete Fehler des Rechtsanwalts in einer Unterlassung, wird dem Mandanten ebenfalls die Beweislast aufgebürdet, obwohl es insoweit um eine negative Tatsache geht (BGHZ 126, 217 (225); NJW 1991, 2280 (2281); 1998, 136 (137); Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 957). Damit der Mandant nicht vor unerfüllbare Beweisanforderungen gestellt wird, kann das Bestreiten des Rechtsanwalts nur dann als erheblich gelten, wenn er konkret darlegt, wie die Beratung ausgesehen hat, die er erbracht haben will. Er muss den Gang der Besprechung schildern, insb. konkrete Angaben dazu machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie der Mandant darauf reagiert hat. Ist dies geschehen, muss der Mandant die von seinem früheren Berater gegebene Schilderung widerlegen (BGHZ 126, 127 (225); BGH NJW 1996, 2571 (2572); s. auch Senat, OLGReport Düsseldorf, 2009, 681 ff.; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 958 m.w.N.).

Der Kläger wirft dem Beklagten vor, dieser habe die Mandantin fehlerhaft nicht darauf hingewiesen, dass ausschließlich Vergleiche mit allen Gläubigern ein Insolvenzverfahren verhindern können. Ob der Beklagte die Mandantin defizitär beraten hat, indem er sie nicht vollständig darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass nur eine Einigung mit allen Gläubigern mit einer damit einhergehenden Beseitigung aller Verbindlichkeiten das drohende Insolvenzverfahren verhindern kann, ist zwischen den Parteien streitig. Denn der Beklagte behauptet, er habe die Mandantin hinreichend aufgeklärt und sie habe gleichwohl die Verhandlungen mit den Gläubigern gewünscht. Das Vorbringen des Beklagten lässt indes die geschuldeten Einzelheiten zum Zeitpunkt und den genauen Belehrungen, die er der Mandantin erteilt haben will, vermissen. Es ist deshalb mit dem Kläger davon auszugehen, dass der Beklagte die Mandantin unvollständig und damit defizitär beraten hat.

b. Der Kläger hat jedoch nicht schlüssig dargelegt, dass diese unvollständige und fehlerhafte Beratung kausal für einen bei der Mandantin eingetretenen Schaden geworden ist.

Wird dem Anwalt eine Unterlassung vorgeworfen, so muss untersucht werde...

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