Leitsatz (amtlich)

1. Vor Erhebung einer Klage muss der Rechtsanwalt prüfen, ob der ihm vorgetragene Sachverhalt geeignet ist, den vom Mandanten erstrebten Erfolg herbeizuführen, und durch geeignete Befragung des Mandanten rechtlich relevante Sachverhaltslücken aufklären.

2. Ist für den Rechtsanwalt erkennbar, dass ein zu erwartender Rechtsstreit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit für seinen Mandanten verloren gehen wird, so genügt er seiner Beratungspflicht nicht schon durch den Hinweis, dass ein Risiko bestehe und der Ausgang des Rechtsstreits offen sei.

3. Eine grundsätzlich bindende Weisung des Mandanten, Klage zu erheben, ist dann nicht maßgeblich, wenn der Mandant vom Rechtsanwalt über alle Folgen dieser Weisung nicht ordnungsgemäß aufgeklärt wurde.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 611, 665, 280

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 2 O 171/10)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Der Kläger erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

2. Der für den 31.5.2011 geplante Senatstermin entfällt.

 

Gründe

I. Das Rechtsmittel des Klägers hat keine Erfolgsaussicht, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat die Klage zu Recht hinsichtlich eines Teilbetrags von 2.088,49 EUR abgewiesen. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine dem Kläger günstigere Entscheidung.

Dem Kläger steht kein über das vom LG i.H.v. 1.919,37 EUR zugesprochene Honorar hinausgehender Anspruch zu. Denn der Beklagte kann sich mit Erfolg auf Schadensersatzansprüche aus dem zwischen den Parteien geschlossenen anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 611, 675 BGB) berufen, die gegenüber der Honorarforderung des Klägers i.H.v. 463,98 EUR aus dem Verfahren 1 O 246/09 LG Wuppertal einen Freistellungsanspruch begründen und in Höhe der erklärten Aufrechnung mit Forderungen von insgesamt 1.625,40 EUR zum Erlöschen seiner Honoraransprüche aus anderen Mandaten geführt haben.

1. Der Beklagte hat gegen den Kläger einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB, weil die Kosten des Verfahrens 1 O 246/09 LG Wuppertal ihm aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens des Klägers entstanden sind.

a) Der Kläger handelte objektiv pflichtwidrig, indem er es unterließ, dem Beklagten von der Erhebung der Klage im Verfahren 1 O 246/09 LG Wuppertal abzuraten.

aa) Der Kläger war dem Beklagten zunächst zur anwaltlichen Beratung und außergerichtlichen Vertretung bezüglich eines Anspruchs des Beklagten auf Herausgabe eines in seinem Eigentum stehenden Blockheizkraftwerks gegenüber dem damaligen Besitzer H. (im Folgenden: Besitzer) verpflichtet. Nach einer Besprechung zwischen dem Kläger und dem Beklagten am 19.6.2009 sollte der Kläger den Besitzer umgehend zur Herausgabe veranlassen, weil der Beklagte das Kraftwerk anderweitig benötigte. Diesen Anspruch sollte der Kläger erforderlichenfalls im Klagewege durchsetzen. Hierzu unterzeichnete der Beklagte am 19.6.2009 eine Prozessvollmacht. Mit Schriftsatz vom 13.7.2009 reichte der Kläger in Vertretung des Beklagten eine Herausgabeklage gegen den Besitzer ein.

bb) Der Rechtsanwalt ist aufgrund des Anwaltsvertrags in den Grenzen des ihm erteilten Mandats (BGH MDR 1998, 1378; MDR 1996, 2648; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rz. 482 m.w.N.) verpflichtet, die Interessen seines Mandanten nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen und Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, zu vermeiden. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH WM 1993, 1376; WM 2007, 419; NJW 2007, 2485; WM 2008, 1560).

Dies bedeutet, dass der Rechtsanwalt vor Erhebung einer Klage den ihm vorgetragenen Sachverhalt dahin prüfen muss, ob er geeignet ist, den vom Mandanten erstrebten Erfolg herbeizuführen. Durch geeignete Befragung des Mandanten muss er rechtlich relevante Sachverhaltslücken aufklären (BGH NJW 1982, 437) sowie klären, ob für beweisbedürftige Tatsachen geeignete Beweismittel zur Verfügung stehen (BGH WM 1988, 987, 993, OLG Düsseldorf FamRZ 2004, 1647; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2, Aufl. Rz. 162 ff.). Bei aussichtslosen Fällen hat er von der Klageerhebung abzuraten (Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 634; Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 20 Rz. 95). Wenn die Erfolgschancen besser stehen, hat der Anwalt seinem Auftraggeber diejenigen Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Ziel führen können. Dafür hat der Anwalt den sichersten Weg vorzuschlagen. Ist für den beratenden Rechtsanwalt erken...

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