Leitsatz (amtlich)
Besitzschutzansprüche können durch einstweiligen Rechtsschutz auch gegen einen in verbotener Eigenmacht handelnden Insolvenzverwalter verfolgt werden.
Normenkette
InsO § 150; BGB §§ 858, 862
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Beschluss vom 21.02.2008; Aktenzeichen 7 O 40/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 21.2.2008 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 18.4.2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Verfügungsbeklagten auferlegt.
Beschwerdewert: bis 7.000 EUR.
Gründe
I. Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. Das LG hat durch den angefochtenen Beschluss die Kosten des in der Hauptsache erledigten Widerspruchsverfahrens nach Erlass einer einstweiligen Verfügung (nachfolgend: Verfügungsverfahren) dem Verfügungsbeklagten (künftig: Beklagter) gem. § 91a Abs. 1 ZPO zu Recht auferlegt. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine davon abweichende Entscheidung.
1. Rechtsirrtümlich ist die Ansicht des Beklagten, er sei als Insolvenzverwalter im Verfügungsverfahren nicht passiv legitimiert. Die Versiegelung der Mieträume sei zur Sicherung der Insolvenzmasse auf Anordnung des Insolvenzgerichts erfolgt, deren Entsiegelung müsse daher im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden.
Richtig ist, dass die Versiegelung von Räumen der Sicherung der Insolvenzmasse dient. Sie erfolgt indes nicht auf Anordnung des Insolvenzgerichts, sondern allein auf Anordnung des Insolvenzverwalters, der sich dabei zur Durchsetzung seiner Anordnung des Gerichtsvollziehers bedient, § 150 InsO (vgl. MünchKomm/InsO, § 150 Rz. 4). Die Versiegelung dient dazu, die Insolvenzschuldnerin (künftig. Schuldnerin) vom weiteren Besitz an der Sache auszuschließen. Dabei bleibt der Insolvenzverwalter Herr des Versiegelungsverfahrens, wobei - mit Rücksicht auf das staatliche Gewaltmonopol - der Gerichtsvollzieher als staatliches Organ im Auftrag des Insolvenzverwalters eingeschaltet ist (vgl. BT-Drucks. 12/2443, 171 zu dem gleichlautenden § 169 InsO-Entwurf). Insofern unterscheidet sich diese Maßnahme nicht von sonstigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach der Zivilprozessordnung. Da der Insolvenzverwalter mit der Bestellung in die Rechtsstellung des Schuldners einrückt (§ 56 Abs: 1, 80 Abs. 1 InsO), richten sich seine Rechte und Pflichten nach den allgemeinen Gesetzen, es sei denn, die Insolvenzordnung sieht im Einzelfall eine besondere Regelung vor. Für Besitzstreitigkeiten zwischen dem Insolvenzverwalter und Dritten enthält die Insolvenzordnung keine besonderen Regeln, so dass hier die allgemeinen Gesetze gelten.
2. Für den im Wege des Verfügungsverfahrens verfolgten Besitzschutz ist es ganz belanglos, ob die Verfügungsklägerinnen (künftig: Klägerinnen) auf der Grundlage eines Untermietverhältnisses über die bezeichneten Räume schuldrechtlich noch ein Recht zum Besitz hatten. Maßgeblich ist gem. §§ 858 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB allein, dass die umstrittenen Teilflächen den Klägerinnen zur Nutzung überlassen worden sind, so dass sie an ihnen berechtigten Besitz ausgeübt haben (§ 854 Abs. 1 BGB) und im Zeitpunkt der Antragstellung mangels Schlüsselrückgabe noch nicht aufgegeben hatten (vgl.§ 856 Abs. 1 BGB). In dieser Position sind sie berechtigt, jede durch verbotene Eigenmacht eintretende Besitzstörung auch dann erfolgreich abzuwehren, wenn sie nach dem einschlägigen Mietrecht kein Recht zum Besitz (mehr) haben.
a) Die Versiegelung der Räume gegen den Willen der Klägerinnen stellte eine Beeinträchtigung des Besitzes dar und war demnach verbotene Eigenmacht. Der vom Kläger für die Insolvenzmasse beanspruchte Besitz an den umstrittenen Teilflächen muss gerichtlich geltend gemacht werden. In einem solchen (ordentlichen) Verfahren ist zu klären, ob ihm ein Recht zur Herausgabe des Grundstücks zusteht. Gegen den Willen des Besitzers kann es nur auf der Grundlage eines (vorläufig) vollstreckbaren Titels im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Selbsthilfe ist nur in wenigen Ausnahmefällen, die hier nicht in Betracht kommen, erlaubt.
b) Ohne Belang ist, dass sich die Klägerinnen in den Untermietverträgen ggü. der Schuldnerin verpflichtet hatten, unter gewissen Voraussetzungen auf ihr Besitzrecht zu verzichten. Selbst ein Besitzer, der zunächst einer Herausgabe zugestimmt hat, sich dann aber umbesinnt, ist vor verbotener Eigenmacht des Herausgabegläubigers geschützt. Jeder Sinneswandel des Besitzers wird bis zur freiwilligen Besitzaufgabe (§ 856 Abs. 1 BGB) oder der gerichtlichen Vollstreckung eines Herausgabetitels possessorisch geschützt, um das vom Gläubiger beanspruchte "Faustrecht" zu delegitimieren (Senat, Beschl. v. 7.7.2003 - I-24 W 36/03 n.v.).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2018347 |
ZIP 2008, 1930 |
MDR 2008, 1065 |
OLGR-Mitte 2008, 680 |