Leitsatz (amtlich)
Hat der Vater sein Kind im Säuglingsalter lebensgefährlich misshandelt, entfällt sein Auskunftsrecht aus § 1686 BGB jedenfalls solange, bis das Kind die verstandesmäßige Reife besitzt, über die Weitergabe seiner persönlichen Daten selbst zu entscheiden.
Verfahrensgang
AG Oberhausen (Aktenzeichen 43 F 1478/17) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der am 26.09.2018 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden für beide Instanzen nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
2. Der Kindesmutter wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A. in Oberhausen bewilligt.
Dem Kindesvater wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. in Dortmund bewilligt.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller, Vater von C., ist durch das Landgericht Dortmund im Jahr 2011 rechtskräftig wegen gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Körperverletzung jeweils in zwei Fällen zum Nachteil seines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden. Ferner ist die Unterbringung des Antragstellers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden, in dem er sich seitdem aufhält.
Nach den Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils hat der Antragsteller am 25.01.2011 im Wohnzimmer seiner Wohnung in Castrop-Rauxel C. so lange Mund und Nase zugehalten, bis dieser nur noch hechelnd atmete und seine Nase und die Lippen blau anliefen. Am 27.01.2011 hat er im Krankenzimmer der Kinder- und Jugendklinik in Datteln dem Säugling wiederum Mund und Nase zugehalten, so dass die Sauerstoffzufuhr kurzfristig unterbrochen war. Am 04.02.2011 hat er C. im Schlafzimmer seiner Wohnung Mund und Nase zugehalten, bis sich die Lippe und Nase des Säuglings blau verfärbten und er nur noch hechelnd atmete. In der Nacht vom 05. auf den 06.02.2011 hat der Antragsteller in einem Krankenzimmer der Kinder- und Jugendklinik in Datteln C. erneut Mund und Nase zugehalten, und zwar diesmal so lange, bis dieser blau anlief, nicht mehr atmete und einen Herzstillstand erlitt. Nach den Feststellungen des Strafgerichts hat der Antragsteller seine Taten aufgrund eine krankhaften Persönlichkeitsstörung begangen. Er wollte auf sich aufmerksam zu machen, indem er sich - nachdem er seinen kleinen Sohn zunächst in Atemnot gebracht hatte - anschließend als "Retter" Cs. darstellte.
Aus dem psychiatrischen Krankenhaus heraus suchte der Antragsteller schriftlichen Kontakt zu der Mutter, bei der C. lebt, um über den Entwicklungsstand des Kindes informiert zu werden. Die Antragsgegnerin kam dem zunächst nach und ermöglichte es dem Antragsteller zudem zum dritten und vierten Geburtstag des Kindes anzurufen. In der Folgezeit verweigerte sie zunehmend eine Informationsweitergabe über das Kind. Dies veranlasste den Antragsteller im Dezember 2017 gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Er ist der Ansicht, einen Auskunftsanspruch gegen die Antragsgegnerin gemäß § 1686 BGB zu besitzen, da er ein gegenwärtiges berechtigtes Interesse an der verlangten Auskunft habe. Er habe keine andere Möglichkeit, an die maßgeblichen Informationen zu kommen, da er auf unbestimmte Zeit untergebracht sei und der Umgang mit C. ausgeschlossen sei.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller jeweils im März, Juni, September und Dezember eines jeden Jahres Auskunft über den aktuellen Entwicklungsstand nebst Foto bezüglich des gemeinsamen Sohnes C. zu erteilen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, als Mutter von C. ebenfalls Opfer des Antragstellers geworden zu sein. Infolge des Auskunftsverlangens habe sie sich in psychotherapeutische Behandlung begeben müssen. Der Antragsteller habe die spezielle Täter-Opfer-Konstellation zwischen ihm und C. immer noch nicht erfasst. C. werde zum Objekt degradiert. Das Kind bedürfe Schutz vor weiterer Traumatisierung und sollte, wenn es älter sei, selbst entscheiden können, ob er demjenigen, der ihm so viel Leid angetan habe, tatsächlich Auskunft über sein Leben geben möchte.
Wegen der Stellungnahme der übrigen am Verfahren Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten die Antragsgegnerin antragsgemäß verpflichtet, dem Antragsteller jeweils im März, Juni, September und Dezember eines jeden Jahres Auskunft über den aktuellen Entwicklungsstand nebst Foto bezüglich des Kindes C. zu erteilen. Es hat den Auskunftsanspruch dahingehend eingeschränkt, dass Adressen nicht herausgegeben werden müssen und die Übermittlung durch eine Mittelsperson erfolgen kann. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der bestehende Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB nicht dem Kindeswohl widerspreche, weil C. wegen seine...