Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren zur Aufhebung einer einstweiligen Verfügung, durch die dem Vermieter zur Abwehr verbotener Eigenmacht die Räumung des Mietobjekts untersagt worden ist, ist der Wert entsprechend dem Wert der Hauptsache, mithin regelmäßig nach der Jahresmiete, zu bestimmen.

 

Normenkette

GKG § 53 Abs. 1, § 41 Abs. 2; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Beschluss vom 29.07.2010; Aktenzeichen 1 O 276/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Duisburg vom 29.7.2010 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 18.8.2010 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Streitwert bis zu 10.000 EUR beträgt.

 

Gründe

A. Der Antragsgegnerin (Vermieterin) ist am 29.7.2010 durch einstweilige Verfügung antragsgemäß verboten worden, die dem Antragsteller (Mieter) vereinbarungsgemäß für eine monatliche Miete von 650 EUR (zzgl. der gesetzlichen MwSt. und einer Betriebskostenvorauszahlung von 200 EUR) zum Zwecke der gewerblichen Zwischenvermietung überlassene (näher bezeichnete) Wohnung eigenmächtig, nämlich im Wege des (von ihr zuvor in Anspruch genommenen Selbsthilferechts) zu räumen und in Besitz zu nehmen. Gleichzeitig hat das LG mit dem angefochtenen Beschlussteil (Abs. 3 des Tenors) den vom Antragsteller in dieser Höhe angegebenen Verfahrenswert auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gegen die Wertfestsetzung richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie will dessen Herabsetzung auf 3.094 EUR erreichen. Zur Begründung führt sie aus, der Verfahrenswert entspreche nicht dem gesetzlichen Räumungswert in Höhe der Jahresmiete (12 Mon × 650 EUR/Mon zzgl. 19 % MwSt. = 9.282 EUR), sondern - entsprechend dem nur vorläufig beantragten und erlangten Rechtsschutz - nur dem Bruchteil der Jahresmiete, nämlich höchstens ein Drittel des Hauptsachewerts.

Das LG hat unter Hinweis darauf, dass der Antragsteller auch ihm mit der eigenmächtigen Räumung und Inbesitznahme der Räume durch die Antragsgegnerin drohende, den Streitwert erhöhende Schäden habe abwenden wollen, der Beschwerde nicht abgeholfen.

B.I. Das statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel, über das der Einzelrichter des Senats zu entscheiden hat (§ 122 Abs. 1 GVG, § 568 S. 1 ZPO), bleibt im Ergebnis ohne sachlichen Erfolg.

1. Dabei kann offen bleiben, ob die vom LG gesetzte Prämisse zutrifft, wonach der Antragsteller neben dem drohenden Besitzverlust an der zwischenvermieteten Wohnung darüber hinausgehende ihm drohende Schäden, wie etwa Mietausfall, Schadensersatzansprüche der Endmieter gegen ihn, abwenden wollte. Selbst wenn das trotz diesbezüglich fehlenden konkreten Sachvortrags so gewesen sein sollte, hätte ein so gerichtetes Interesse bei der Bewertung des hier verfolgten Abwehrwehranspruchs, unberücksichtigt zu bleiben.

Ein im Hauptsacheverfahren verfolgtes Interesse des Vermieters an der Wiedererlangung des Besitzes von Räumen begrenzt das Gesetz aus typischerweise sozialen Gründen gem. § 41 Abs. 2 GKG auf den Jahresmietwert (zzgl. der gesetzlichen MwSt., aber ohne Betriebskostenvorauszahlung). Dieser Wert gilt auch dann, wenn das tatsächliche Interesse des Vermieters an der Wiedererlangung des Besitzes an den Räumen sehr viel höher einzuschätzen ist. Nichts Anderes gilt, wenn sich umgekehrt der Mieter in einem Hauptsacheverfahren gegen einen vom Vermieter außergerichtlich in Anspruch genommenen Räumungs- und Herausgabeanspruch wehrt, etwa im Wege der negativen Feststellungsklage. Welche Motive er damit verfolgt, spielt keine Rolle; maßgeblich für die Bewertung ist nur der Wert des konkret verfolgten Anspruchs. Entsprechende Bewertungsgrundsätze haben grundsätzlich auch im Verfügungsverfahren zu gelten, soweit nicht wegen eines nur vorläufigen Rechtsschutzinteresses Wertabschläge vorzunehmen sind.

2. Die Jahresmietwert von 9.282 EUR, dessen Betrag in die hier maßgebliche Wertstufe von 9.000,01 EUR bis 10.000 EUR der Gebührentabellen zu § 34 Abs. 1 S. 2 GKG (Anlage 2) und zu § 13 Abs. 1 S. 3 RVG (Anlage 2) fällt, ist entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin nicht deswegen zu kürzen, weil der Antragsteller hier "nur" vorläufigen Rechtsschutz beantragt und erhalten hat. Die Bewertung richtet sich im Streitfall gem. § 3 ZPO, §§ 53 Abs. 1 Nr. 1, 41 Abs. 2 GKG ausnahmsweise uneingeschränkt nach dem Wert der Hauptsache. Das beruht darauf, dass der Antragsteller hier nicht nur die einstweilige, sondern in Abwehr der verbotenen Eigenmacht der Antragsgegnerin (§§ 858 ff. BGB) im Ergebnis die andauernde Erhaltung seines Besitzrechts an der Mietsache verfolgt hat, womit er über die bloße Sicherung hinaus die Befriedigung seines Anspruchs erstrebt hat (vgl. OLG Düsseldorf MDR 2004, 1291 = NZM 2005, 180 [juris Tz. 7]; OLG Köln OLGReport Köln 1999, 336; ebs. Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 53 Rz. 3 m.w.N.; vgl. auch Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rz. 16 Stichw. "Einstweilige Verfügung/Hauptsachewert" m.w.N.). Die Erfüllungswirkung der einstweiligen Verfügung wird ...

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