Leitsatz (amtlich)

1. Verfügen Ehegatten in einem von der Ehefrau geschriebenen und von beiden Ehegatten unterschriebenen Testament (1978) "Wir,..., erklären, dass beim Tode eines Ehegatten der Andere ihn beerbt (Berliner Testament). Unsere beiden ehelichen Kinder A. und S., sowie die Tochter aus der ersten Ehe der Frau: E. K., sollen bei unserem gemeinsamen Tod jeder zu gleichen Teilen erben.", so ergibt der durch Auslegung ermittelte Wille, dass sie entsprechend § 2269 Abs. 1 BGB zum (alleinigen Voll-)Erben des Erstversterbenden von ihnen den jeweils anderen und zu Miterben nach dem Längstlebenden die drei benannten Kinder als Schlusserben zu je ein Drittel bestimmen, die Eheleute mithin eine Vor- und Nacherbschaft nicht anordnen wollten.

2. Lassen die Ehegatten sich sodann scheiden (1990), heiraten sie, nachdem sie (ab 1998) wieder zusammengelebt haben, erneut (2002) und adoptiert der Erblasser (2003) die erwachsene Tochter der Ehefrau, so kommt es bei nicht vorhandenen Anhaltspunkten dafür, dass die Ehegatten schon im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments (1978) mit der Scheidung ihrer damaligen Ehe gerechnet haben mangels Feststellbarkeit eines auf dessen Weitergeltung gerichteten wirklichen Willens darauf an, ob der zu ermittelnde hypothetische Wille auf einen solchen zur Weitergeltung des Testaments (1978) schließen lässt (hier vom Senat aufgrund einer Gesamtbetrachtung bejaht, u. A. mit Blick darauf, dass die Ehepartner vor ihrer zweiten Heirat rund vier Jahre zusammen lebten, die Heirat ohne erkennbaren "drängenden Anlass" erfolgte, zwischen dieser Heirat und dem Tod des Erblassers nochmals etwa drei Jahre lagen, keiner der beiden Eheleute in der Zeit zwischen Scheidung und Wiederheirat anderweitig verfügt hat, im Familienkreis ihr Fortgeltungswille bekundet wurde und der Erblasser das Kind der Ehefrau adoptiert hat).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2077 Abs. 1 S. 1, §§ 2084, 2247 Abs. 1, § 2268 Abs. 1, § 2269 Abs. 1, § 2361 Abs. 1 S. 1; EGBGB Art. 229 § 36; FamFG § 58 Abs. 1, § 59 Abs. 2, § 63 Abs. 1, 3 S. 1, § 64 Abs. 1-2, § 68 Abs. 1 S. 1, § 68 2. Halbsatz, § 353 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Neuss (Beschluss vom 26.01.2016; Aktenzeichen 133 VI 45/08)

 

Tenor

Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.

Geschäftswert: bis 50.000 EUR

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 2. war mit dem Erblasser verheiratet. Ihre erste Ehe wurde 1968 geschlossen. Unter dem 21.5.1978 errichteten die Eheleute ein eigenhändiges, - soweit ersichtlich - von der Beteiligten zu 2. geschriebenes und von beiden Ehegatten unterschriebenes Testament, in dem es hieß:

"Wir,..., erklären, dass beim Tode eines Ehegatten der Andere ihn beerbt. (Berliner Testament).

Unsere beiden ehelichen Kinder A. und S., sowie die Tochter aus der ersten Ehe der Frau: E. K., sollen bei unserem gemeinsamen Tod jeder zu gleichen Teilen erben."

Die besagte Ehe wurde 1990 geschieden. Im Anschluss an mehrere gemeinsame Urlaube lebten die ehemaligen Eheleute ab 1998 wieder zusammen. 2002 heirateten sie erneut; diese zweite Ehe hatte bis zum Tode des Erblassers Bestand. 2003 adoptierte der Erblasser die im Testament erwähnte E. im Wege der Erwachsenenadoption.

Auf Antrag der Beteiligten zu 2. ist am 4.4.2008 ein sie als Alleinerbin nach dem Erblasser ausweisender Erbschein erteilt worden.

Mit Schrift vom 8.9.2015 hat die Beteiligte zu 1. dessen Einziehung beantragt und zur Begründung im Kern angeführt, durch die Scheidung sei das Testament von 1978 unwirksam sowie durch die spätere zweite Eheschließung auch nicht wieder wirksam geworden; es sei die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Dem ist die Beteiligte zu 2. entgegengetreten.

Durch die angefochtene Entscheidung hat das Nachlassgericht den Einziehungsantrag zurückgewiesen. Gegen den ihr am 3.2.2016 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1. mit ihrem am 10.2.2016 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, das die Beteiligte zu 2. zurückgewiesen sehen möchte.

Das Nachlassgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie der Testamentsakte 133 IV 356/05 AG Neuss Bezug genommen.

II. Auf das vorliegende Verfahren sind entsprechend Art. 229 § 36 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch und das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der vor dem 17.8.2015 geltenden Fassung anzuwenden, da der Erblasser vor diesem Stichtag verstorben ist; auf die Einleitung des hiesigen Einziehungsverfahrens kommt es nicht an.

1. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1. ist infolge der vom Nachlassgericht mit Beschluss vom 30.6.2016 ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG.

2. Es ist gemäß §§ 58 Abs. 1 i.V.m. 353, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde statthaft und auch im Üb...

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