Leitsatz (amtlich)
›1. Die vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO beendet die gerichtliche Anhängigkeit und schafft ein Verfahrenshindernis. Eine Verurteilung wegen der von der vorläufigen Verfahrenseinstellung betroffenen Tat darf nicht erfolgen, solange nicht ein Wiederaufnahmebeschluß ergangen ist.
2. Der Berücksichtigung eines Verfahrenshindernisses steht die durch die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch eingetretene Teilrechtskraft nicht entgegen.
3. Eine stillschweigende Wiederaufnahme eines nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellten Verfahrens, etwa durch Aburteilung der Tat, die Gegenstand des eingestellten Verfahrens ist, scheidet aus.
4. Ein Gerichtsbeschluß ist zur Erforschung des wahren Erklärungsinhalts entsprechend den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB auslegungsfähig, wenn er lückenhaft, unklar, widerspruchsvoll oder scheinbar widersinnig ist.‹
Gründe
I.
Das Amtsgericht Krefeld hat den Angeklagten am 11. Februar 1998 wegen Beleidigung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 50,00 DM verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer durch das angefochtene Urteil mit der Maßgabe verworfen, daß der Angeklagte unter Auflösung der durch Urteil des Landgerichts Krefeld vom 8. April 1998 (22 StK 26/97; 22 KLs 8 Js 69/96) gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und Einbeziehung der Einzelstrafen zu einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wird.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
II.
Das Rechtsmittel führt wegen eines Verfahrenshindernisses zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur teilweisen Verfahrenseinstellung.
1.
Die Staatsanwaltschaft Krefeld hatte gegen den Angeklagten folgende Anklagen erhoben:
1. Anklage vom 16. Januar 1996 - 2 Js 1073/95 -, durch die ihm eine Beleidigung der Polizeibeamten F, S und v V vom 13. September 1995 zur Last gelegt wird.
Die Anklage wurde durch Eröffnungsbeschluß des Amtsgerichts Krefeld vom 7. Mai 1997 zur Hauptverhandlung zugelassen;
2. Anklage vom 13. Februar 1996 - 8 Js 1224/95 -, durch die er einer Beleidigung des Vorsitzenden Richters am Landgericht Dr. P vom 6. Dezember 1995 beschuldigt wird.
Die Anklage ist durch Eröffnungsbeschluß des Amtsgerichts Krefeld vom 7. Mai 1997 zur Hauptverhandlung zugelassen worden;
3. Anklage vom 29. Mai 1996 - 8 Js 132/96 -, durch die ihm eine Beleidigung in Tateinheit mit übler Nachrede vom 20. - 25. Februar 1996 zum Nachteil von Polizeibeamten, die gegen ihn ermittelt hatten, zur Last gelegt wird.
Diese Anklage wurde durch Beschluß des Amtsgerichts Krefeld vom 30. Juli 1996 zur Hauptverhandlung zugelassen;
4. Strafbefehl vom 2. August 1995 - 2 Js 980/96 -, durch den er einer Beleidigung des Vorsitzenden Richters am Landgericht Dr. P vom 16. September 1994 beschuldigt wird und gegen den er Einspruch eingelegt hat.
Durch Beschluß vom 26. März 1996 und 18. Februar 1997 hat das Amtsgericht Krefeld die vier Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
In der Hauptverhandlung vom 11. Februar 1998 hat der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft den Antrag gestellt:
"hinsichtlich des Vorwurfes 8 Js 132/96 das Verfahren gemäß § 154 II StPO vorläufig einzustellen und die Anklage 2 Js 1073/95 gemäß § 154 a II StPO auf den Vorwurf der Beleidigung zu beschränken."
Das Amtsgericht hat, nachdem es dem Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, folgenden Beschluß verkündet:
"Das Verfahren wird hinsichtlich des Vorwurfes 8 Js 132/96 gemäß § 154 II StPO vorläufig eingestellt und die Anklage 2 Js 1073/95 gemäß § 154 a II StPO auf den Vorwurf der Beleidigung beschränkt im Hinblick auf die weiteren Straftaten."
In seinem Urteil vom 11. Februar 1998 hat das Amtsgericht Krefeld den Angeklagten u. a. unter II.3. der Urteilsgründe (Seite 10) des Vorwurfes aus der Anklage vom 29. Mai 1996 - 8 Js 132/96 - (hinsichtlich dessen das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden war) für schuldig befunden und ihn deshalb zu einer Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu 50,00 DM verurteilt. Den Vorfall vom 23. September 1995 aus der Anklage vom 16. Januar 1996 (2 Js 1073/95), hinsichtlich dessen das Verfahren nach § 154 a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Beleidigung beschränkt worden war, hat es demgegenüber nicht abgeurteilt.
2.
Die Verurteilung wegen einer Tat, hinsichtlich der das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden ist, verstößt gegen das Verfahrenshindernis der fehlenden Rechtshängigkeit.
a) Die vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO beendet die gerichtliche Anhängigkeit (BGHSt 10, 88, 90; 30, 197; OLG Düsseldorf MDR 1983, 252; 1988, 164) und schafft ein Verfahrenshindernis (BGHSt 30, 197, 198; BGH NJW 1990, 1675), so daß, solange ein Wiederaufnahmebeschluß nicht ergangen ist und das Hindernis besteht, ein...