Leitsatz (amtlich)

Die Vaterschaftsanfechtungsfrist des § 1600b BGB ist gemäß §§ 1600b Abs. 5 S. 3, 206 BGB durch höhere Gewalt gehemmt, wenn der unrichtige Vaterschaftseintrag des leiblichen Vaters im Geburtenregister den Anfechtungsberechtigten zu der Annahme veranlassen musste, dass er im Hinblick auf die Etablierung des zutreffenden Statusverhältnisses nichts weiter zu unternehmen brauche. Dies gilt nicht, wenn der Anfechtungsberechtigte durch wahrheitswidrige Familienstandsangabe an der dem Falscheintrag zugrunde liegenden, wegen bestehender Vaterschaft des Muttergatten nach § 1594 Abs. 2 i.V.m. § 1592 Nr. 1 BGB unwirksamen Vaterschaftsanerkennung mitgewirkt hat.

 

Normenkette

BGB §§ 206, 1592 Nr. 1, § 1594 Abs. 2, § 1600b

 

Verfahrensgang

AG Kleve (Aktenzeichen 19 F 321/18)

 

Tenor

wird der Antragstellerin auf ihre sofortige Beschwerde unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Kleve vom 28.01.2019 für den Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft vom 13.11.2018 unter Beiordnung von Rechtsanwältin L. ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

 

Gründe

I. Die aus Armenien stammende Antragstellerin und der Antragsgegner, der Grieche ist, heirateten 2008 in Jerewan (Armenien). Nachdem beide neun Monate lang in Griechenland zusammengelebt hatten, trennten sie sich. Die Antragstellerin kam 2011 im Zuge eines Au-Pair-Jahres nach Deutschland und lebt seit jenem Jahr in fester Partnerschaft mit Herrn M. (im Folgenden: Lebensgefährte). Am 26.04.2013 brachte die Antragstellerin das beteiligte Kind zur Welt, nachdem der Lebensgefährte am 18.04.2013 mit Zustimmung der Antragstellerin urkundlich anerkannt hatte, der Vater des - seinerzeit noch ungeborenen - Kindes zu sein. Der Lebensgefährte wurde im Geburtenregister als Vater eingetragen. Die Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners wurde mit Beschluss des Familiengerichts Jerewan vom 01.04.2015 geschieden. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf erkannte diese Scheidung mit Bescheid vom 05.10.2018 an. Die berichtigte Geburtsurkunde vom 25.09.2018 führt den Antragsgegner als Vater des Kindes auf.

Die Antragstellerin hat Verfahrenskostenhilfe begehrt für den Antrag auf Feststellung, dass der Antragsgegner nicht der Vater des Kindes ist. Dieses Gesuch hat das Amtsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, die zweijährige Anfechtungsfrist sei versäumt worden, habe die Antragstellerin doch schon seit der Geburt des Kindes Kenntnis davon gehabt, dass der Antragsgegner nicht der leibliche Vater des Kindes sei.

Dies greift die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde an und macht geltend, ihr sei nicht bekannt gewesen, dass das Kind einen anderen rechtlichen als den leiblichen Vater haben könnte. Für sie habe kein Grund bestanden, an der Richtigkeit der früheren Eintragung des Lebensgefährten als Vater im Geburtenregister zu zweifeln. Hätte man sie bei der Geburt des Kindes auf die fehlende rechtliche Vaterstellung des Lebensgefährten hingewiesen, wäre sie schon damals tätig geworden. Von der rechtlichen Vaterschaft des Antragsgegners habe sie erst im Zuge der Ausstellung der geänderten Geburtsurkunde vom 25.09.2018 erfahren.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antrag auf Vaterschaftsanfechtung gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen vor. Insbesondere hat das Begehren der nach Maßgabe ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Bescheid über den Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG bedürftigen Antragstellerin hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Der Antrag ist gemäß §§ 169 Nr. 4 FamFG, 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB statthaft. Zulässiger Gegenstand der Anfechtung ist die Vaterschaft des Antragsgegners.

Im Hinblick auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in Deutschland beurteilt sich die Abstammung gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach deutschem Recht. Einschlägig ist § 1592 Nr. 1 BGB, wonach der Antragsgegner kraft Ehe mit der Antragstellerin, welche im Zeitpunkt der Geburt des Kindes noch bestanden hat, der Vater des Kindes ist.

Eine anderweitige Vaterschaft ist nicht begründet worden.

Der Lebensgefährte hat durch die urkundliche Anerkennung der Vaterschaft keinen Vaterstatus nach § 1592 Nr. 2 BGB erlangt. Da nämlich im Zeitpunkt der Anerkennung die Vaterschaft des Antragsgegners gemäß § 1592 Nr. 1 BGB bestand, war die Anerkennung gemäß § 1594 Abs. 2 BGB unwirksam. Diese Unwirksamkeit war keiner Heilung durch Eintragung in ein deutsches Personenstandsregister gemäß § 1598 Abs. 2 BGB zugänglich, weil diese Norm, wie sich aus ihrer teleologischen Auslegung ergibt, nicht die Anerkennungssperre des § 1594 Abs. 2 BGB zu überwinden vermag, käme es sonst doch zu einer den Grundprinzipien des Abstammungsrechts widersprechenden Doppelvaterschaft (OLG Stuttgart, FamRZ 2019, 607, 610; MünchKommBGB/Wellenhofer, 7. Aufl., § 1598 Rn. 25).

Eine Vaterschaft des Lebensgefährten folgt auch nicht aus dessen (ursprünglicher) Eintragu...

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