Leitsatz (amtlich)
Veräußern die Miteigentümer das gemeinschaftliche Grundstück und bewilligt der Nießbraucher die Löschung seines an einem ideellen Hälfteanteil bestehenden Nießbrauchrechts, so setzt sich der Nießbrauch nicht am Hälfteanteil des Kauferlöses fort; § 1066 Abs. 3 BGB findet auf diesen Fall keine Anwendung.
Normenkette
BGB § 741 ff., § 1066 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Beschluss vom 27.01.2003; Aktenzeichen 10 O 319/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 14.2.2003 wird der Beschluss des LG Mönchengladbach – Einzelrichter – vom 27.1.2003 aufgehoben.
Das LG wird angewiesen, über den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Beschwerdewert: 12.258,38 Euro
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist begründet, soweit das LG Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage verweigert hat. Die Entscheidung darüber, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung vorliegen, wird dem LG gem. § 572 Abs. 3 ZPO übertragen.
1. Die beabsichtigte Klage hat Aussicht auf Erfolg. Die Antragstellerin kann vom Antragsgegner gem. §§ 741, 749 Abs. 1, 752 BGB Auszahlung des hälftigen Kaufpreisanteils verlangen. Das Nießbrauchrecht des Antragsgegners steht dem Anspruch nicht entgegen, da es sich entgegen der Auffassung des LG nicht gem. § 1066 Abs. 3 BGB am Erlösanteil fortgesetzt hat, sondern erloschen ist.
Das Nießbrauchrecht des Antragsgegners am ideellen Anteil der Antragstellerin an dem ursprünglich den Parteien gemeinschaftlich gehörenden Grundstück E.-weg 9 in Sch. ist aufgrund der vom Antragsgegner in der notariellen Urkunde vom 3.12.2001 erteilten Löschungsbewilligung und des – wovon auszugehen ist – inzwischen erfolgten grundbuchlichen Vollzugs erloschen (§ 875 BGB). Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des LG hat es sich nicht gem. § 1066 Abs. 3 BGB am Erlösanteil der Antragstellerin fortgesetzt.
§ 1066 BGB regelt den Nießbrauch an dem Anteil eines Miteigentümers und bestimmt für den Fall der Aufhebung der Gemeinschaft, dass dem Nießbraucher der Nießbrauch an den Gegenständen gebührt, die an die Stelle des ursprünglichen Belastungsgegenstandes getreten sind. Dabei ist streitig, ob dem Nießbraucher im Wege der schuldrechtlichen Surrogation nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Nießbrauchbestellung zusteht (so Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 1066 BGB Rz. 1) oder aber das Recht kraft dinglicher Surrogation unmittelbar entsteht (so Staudinger/Frank, … Aufl. 2002, § 1066 Rz. 10 unter Bezugnahme auf BGHZ 52, 99 ff.). Für den vorliegenden Fall ist diese Streitfrage ohne Bedeutung; denn im Falle eines nur schuldrechtlichen Anspruchs könnte der Antragsgegner – würde § 1066 Abs. 3 BGB Anwendung finden – dem Zahlungsbegehren der Antragestellerin den dolo-petit-Einwand (§ 242 BGB) entgegen halten.
§ 1066 Abs. 3 BGB findet hier jedoch keine Anwendung. Durch diese Vorschrift soll der Nießbraucher davor geschützt werden, aufgrund der Aufhebung der Gemeinschaft den Belastungsgegenstand und damit sein Recht ersatzlos zu verlieren. Dieser Regelung bedurfte es zum Schutz des Nießbrauchers im Hinblick auf die Vorschriften über die Teilung bei Aufhebung der Gemeinschaft (§§ 742, 743 BGB). Bei einer Teilung in Natur (§ 742 BGB) tritt an die Stelle des ideellen Miteigentumsanteils ein realer Teil und damit ein anderer Gegenstand, an dem sich der Nießbrauch ohne gesetzliche Regelung nicht fortsetzen würde. Für den Fall der Teilungsversteigerung (§ 743 BGB i.V.m. §§ 180 ff. ZVG) wird vertreten, dass der an einem Miteigentumsanteil bestehende Nießbrauch nicht in das geringste Gebot fällt (vgl. Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 182 Anm. 2.13; Staudinger/Frank, … Aufl. 2002, § 1066 Rz. 11). Der Grund für die Regelung des § 1066 Abs. 3 BGB liegt also darin, dass dem Nießbraucher nicht durch einen Eingriff von dritter Seite der Belastungsgegenstand und damit sein Recht entzogen werden soll (vgl. auch zum Begriff der Surrogation Palandt/Bassenge, 62. Aufl., Einf. zu § 854 BGB Rz. 20).
Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar. Der Antragsgegner lief zu keiner Zeit Gefahr, gegen seinen Willen sein Recht zu verlieren.
Es fehlt aber auch schon an einer Aufhebung der Gemeinschaft i.S.d. §§ 1066 Abs. 3, 749 ff. BGB. Der Antragsgegner hat lediglich von dem ihm aufgrund seiner Miteigentümerstellung und der ihm als Testamentsvollstrecker erteilten Berechtigung (insoweit für die Antragstellerin handelnd) gem. § 747 S. 2 BGB zustehenden Recht Gebrauch gemacht und über den gemeinschaftlichen Gegenstand verfügt mit der Folge, dass sich die Gemeinschaft am Erlös fortsetzte (vgl. Palandt/Sprau, 62. Aufl., § 741 BGB Rz. 3). Seine Stellung als Nießbraucher konnte hierdurch gegen seinen Willen nicht beeinträchtigt werden; denn ohne Löschung des Nießbrauchs, die wiederum nur aufgrund einer von ihm erteilten Löschungsbewilligung, zu deren Erteilung er nicht verpflichtet war, erfolgen konnte, hätten die E...