Leitsatz (amtlich)

Bei § 15a RVG handelt es sich um eine Gesetzesänderung, auf die § 60 Abs. 1 RVG anwendbar ist. Dies ist auch in Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG zu beachten.

 

Normenkette

RVG-VV Vormerkung 3 Abs. 4; RVG §§ 15a, 55 Abs. 5

 

Verfahrensgang

AG Neuss (Beschluss vom 11.11.2009; Aktenzeichen 48 F 190/08)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG Neuss - Familiengericht - vom 11.11.2009 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Beschwerde des Antragstellers vom 13.11.2009 (Bl. 103 f. PKH-Heft) richtet sich gegen den Beschluss des AG Neuss - Familiengericht - vom 11.11.2009 (Bl. 95 PKH-Heft), durch den seine Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluss vom 23.4.2009 (Bl. 70 f. PKH-Heft) zurückgewiesen wurde. Die Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG kraft ausdrücklicher Zulassung zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg.

Zu Unrecht wendet sich der Antragsteller gegen die vorgenommene Anrechnung einer hälftigen außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr i.H.v. EUR 122,85 zzgl. Umsatzsteuer.

1. Vorliegend ist davon auszugehen, dass eine Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 für die vorgerichtliche Tätigkeit des Antragstellers angefallen ist. Der Antragsteller führt selbst aus, dass ihm sein Mandant eine Geschäftsgebühr schuldet. In seinen Schriftsätzen vom 19.2.2009 und 29.4.2009 (Bl. 63 f., 77 f. PKH-Heft) heißt es: "Dem Unterzeichner steht ein Anspruch auf Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr zu, weil er von dem Mandanten keine Zahlung auf die vorgerichtlich entstandene 1,3 Geschäftsgebühr erhalten hat ... Hat der Mandant wie vorliegend der Fall eine von ihm geschuldete Geschäftsgebühr für eine vorgerichtliche Tätigkeit nicht an seinen Prozessbevollmächtigten bezahlt,..". Vor diesem Hintergrund geht der Hinweis auf einen unbedingten Klageauftrag ins Leere. Ein solcher ergibt sich nicht aus dem vorgerichtlichen Schreiben vom 15.4.2008 (Anlage K1 zur Klageschrift, Bl. 5 f. GA) und wird auch sonst nicht näher dargelegt.

2. Die Geschäftsgebühr ist nach der Anrechnungsvorschrift RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 auf die im nachfolgenden Prozess angefallene Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3100 zur Hälfte, hier also i.H.v. 0,65 anzurechnen.

Der Staatskasse ist es vorliegend nicht verwehrt, die Anrechnung im Festsetzungsverfahren nach §§ 55 ff. RVG zu berücksichtigen. Dem stehen die aufgrund Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 und 6 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht v. 30.7.2009 (BGBl. I, 2449) mit Wirkung zum 5.8.2009 neu gefassten §§ 15a, 55 Abs. 5 Sätze 2 bis 4 RVG nicht entgegen. Dies folgt mangels spezieller Übergangsnorm aus § 60 Abs. 1 RVG. Danach ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der Rechtsanwalt - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Änderung beigeordnet worden ist.

a) Durch die Neuregelung der Anrechnung in § 15a RVG ist die bisherige Gesetzeslage geändert - und nicht lediglich klargestellt - worden. Er wurde als neue, eigenständige Vorschrift formuliert und in das Gesetz eingefügt und bewirkt auch inhaltlich eine Änderung des bisher geltenden Rechts.

aa) Vor Einfügung des § 15a RVG war die Anrechnung über die Regelung in RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 hinaus nicht näher definiert. Insbesondere gab es keine Regelung, inwieweit Dritte und die Staatskasse sich auf die im Innenverhältnis zwischen Mandant und Anwalt vorzunehmende Anrechnung berufen können. Daher hat der BGH und ihm folgend die herrschende Rechtsprechung im Wege der Auslegung mehrfach entschieden: Sofern nach RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist, vermindert sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr; die Verfahrensgebühr entsteht wegen der in RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 vorgesehenen Anrechnung von vornherein nur in gekürzter Höhe (vgl. BGH v. 7.3.2007 - VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049; v. 14.3.2009 - VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050; v. 11.7.2007 - VIII ZR 310/06, NJW 2007, 3500; v. 22.1.2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323; v. 25.9.2008 - IX ZR 133/07, NJW 2008, 3641). Nach der Rechtsprechung des VIII., des III. und des I. Zivilsenats ist diese Anrechnungsregel auch im Außenverhältnis zum Prozessgegner im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 104 f. ZPO zu beachten und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die vom Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstattende Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist (vgl. BGH v. 22.1.2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323; v. 30.4.2008 - III ZB 8/08, JurBüro 2008, 414; v. 2.10.2008 - I ZB 30/08, WRP 2009, 75). Dieser Rechtsauffassung hat sich der Senat für das Kostenfestsetzungsverfahren mit Beschluss vom 2.10.2008, I-10...

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