Leitsatz (amtlich)
1. Verwirklicht sich durch den Tod des Erblassers ein vertraglich vereinbarter Rückübertragungstatbestand, handelt es sich bei dem daraus resultierenden Anspruch auf Rückübertragung eines Grundstücks um eine vom Erblasser herrührende Verbindlichkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 2 GNotKG, also um eine sog. Erblasserschuld und nicht um eine Erbfallschuld.
2. Ist der zur Rückübertragung verpflichtete Grundstückseigentümer zugleich der alleinige Erbe des Erblassers, erlischt der Rückübertragungsanspruch durch Konfusion; der Anspruch ist aber gleichwohl bei der Ermittlung des Geschäftswerts gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 2 GNotKG wertmindernd zu berücksichtigen.
Normenkette
GNotKG § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2
Verfahrensgang
AG Mönchengladbach (Aktenzeichen 15 VI 605/21) |
Tenor
Auf die am 31. März 2022 eingegangene Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Mönchengladbach vom 16. März 2022 geändert:
Der Geschäftswert für das Erbscheinserteilungsverfahren wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Erblasser verstarb unverheiratet und kinderlos. Die Beteiligte ist seine Mutter. Am 20. September 2021 erteilte das Nachlassgericht auf Antrag der Beteiligten einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist.
Zum Nachlass gehörte das Grundstück V. Straße in M., das die Beteiligte mit notariellem Vertrag vom 25. Oktober 1999 auf den Erblasser übertragen hatte. Dabei hatte sie sich den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an dem Grundstück vorbehalten. Unter "IV. Anspruch auf Rückübertragung" des Vertrags heißt es:
"1. Der Veräußerer behält sich das Recht vor, die Rückübertragung des übertragenen Grundbesitzes zu verlangen, wenn
...
e) der Erwerber ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstirbt,
..."
Mit notariellem Vertrag vom 25. Oktober 2021 zwischen
a) der Beteiligten, handelnd in ihrer Eigenschaft als Rückforderungsberechtigte aus dem Übertragungsvertrag ("Erwerber") und
b) der Beteiligten als Alleinerbin nach dem Erblasser ("Veräußerer")
erklärte die Beteiligte, dass sie von dem Rückübertragungsrecht Gebrauch mache. "Veräußerer" und "Erwerber" einigten sich, dass das Eigentum an dem Grundbesitz auf den "Erwerber" übergehe. Aufgrund der Bewilligung der Beteiligten wurde der Eigentumswechsel in das Grundbuch eingetragen.
Mit Beschluss vom 16. März 2022 setzte das Nachlassgericht den Geschäftswert auf 375.000,00 EUR fest. Grundlage der Wertfestsetzung waren Angaben der Beteiligten zum Wert des Nachlasses. Darin hatte sie den Wert des Grundstücks mit 350.000,00 EUR und den Wert eines zum Nachlass gehörenden Unternehmens mit 25.000,00 EUR angegeben.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Beteiligte Festsetzung des Geschäftswerts auf 25.000,00 EUR. Sie macht geltend, das Grundstück sei aufgrund der Rückübertragung nicht Teil des Nachlasses geworden. Sie habe das Grundstück nicht durch Erbfolge, sondern durch Rückübertragung erlangt.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16. Mai 2023 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Es hat ausgeführt, der Erblasser sei im Zeitpunkt seines Todes Eigentümer des Grundbesitzes gewesen, so dass der Grundstückswert dem Nachlassvermögen zuzurechnen sei. Ob der Erbin der Grundbesitz aufgrund von Erbfolge oder Rückübertragung zugestanden habe, sei unerheblich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II. Die gem. § 83 GNotKG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Nachlassgericht bei der Ermittlung des Geschäftswerts den Grundstückswert berücksichtigt.
1. Die Wertfestsetzung richtet sich gem. § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 und S. 2 GNotKG nach dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls. Vom Erblasser herrührende Verbindlichkeiten werden abgezogen.
a) Bei dem Anspruch auf Rückübertragung, den die Beteiligte durch Abschluss des notariellen Vertrages vom 25. Oktober 2021 erfüllt hat, handelt es sich um eine vom Erblasser herrührende Verbindlichkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 S. 2 GNotKG, also um eine sog. Erblasserschuld, nicht eine Erbfallschuld.
aa) Ausweislich der Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 17/11471, S. 166) sind Erblasserschulden solche Verbindlichkeiten, die vom Erblasser herrühren und bereits ihm gegenüber bestanden haben. Erbfallschulden sind dagegen - wie aus § 1967 Abs. 2 BGB folgt - die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere solche aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen. Sie sollen bei der Geschäftswertermittlung unberücksichtigt bleiben, weil der Aufwand zur Ermittlung dieser oft unsicheren Abzugsposten in keinem Verhältnis zum kostenrechtlichen Zweck stehe (BR-Drs. a.a.O.; Senat ZEV 2016, 382).
Danach ist der Rückübertragungsanspruch als Erblasserschuld zu qualifizieren. Denn er stand der Beteiligten nicht aus Anlass des Erbfalls, sondern deshalb zu, weil sich durch den Tod des Erblassers ein vertraglich vereinbarter Rückübertragungstatbestand verwirklichte. Bei...