Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung einer genehmigten Investitionsmaßnahme nach § 23 ARegV i.d.F. vom 22.3.2012 ist für Neuanlagen im ersten Jahr ihrer Kostenwirksamkeit bzw. Aktivierung der Jahresanfangsbestand bei der Mittelwertbildung nach § 7 Abs. 1 Satz 4 StromNEV nicht mit Null, sondern wegen § 6 Abs. 5 Satz 4 StromNEV in Höhe der Anschaffungs- und Herstellungskosten in Ansatz zu bringen.
2. Der Grundsatz der Bilanzidentität nach § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB findet bei der Bestimmung des Jahresanfangsbestands einer Neuanlage im ersten Jahr ihrer Kostenwirksamkeit bzw. Aktivierung nach § 7 Abs. 1 Satz 4 StromNEV wegen des kalkulatorischen Charakters der Eigenkapitalverzinsung keine Anwendung.
Normenkette
EnWG § 21 Abs. 2 S. 1, § 29; ARegV § 23 Abs. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 8a; StromNEV § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 5 S. 3, § 6 S. 4, § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 7 S. 4, § 7 Abs. 2; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Bundesnetzagentur (Aktenzeichen BK4-12-656) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Betroffenen vom 14.6.2012 wird die Festlegung der Bundesnetzagentur vom 2.5.2012, BK4-12-656, aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Bundesnetzagentur trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Betroffenen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Betroffene ist Übertragungsnetzbetreiberin i.S.v. § 3 Nr. 10 EnWG.
Mit Beschluss vom 2.5.2012 (BK4-12-656) hat die Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur festgelegt, dass Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen i.S.d. § 3 Nr. 2 EnWG sowie Betreiber von Gasversorgungsnetzen i.S.d. § 3 Nr. 6 EnWG verpflichtet sind, die Berechnung der sich aus genehmigten Investitionsmaßnahmen nach § 23 ARegV ergebenden Kapital- und Betriebskosten nach Maßgabe dieser Festlegung vorzunehmen. Die Vorgaben der Festlegung gelten nach Tenorziffer 2 für alle nach § 23 ARegV genehmigten Investitionsmaßnahmen mit Kostenwirksamkeit ab 2012.
Bezüglich der Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung bestimmt Ziff. 4 (S. 9) der Festlegung, dass im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 4 StromNEV/GasNEV bei Neuanlagen für das erste Jahr der Kostenwirksamkeit bzw. Aktivierung keine Berechnung des Jahresanfangsbestands der kalkulatorischen Restwerte des Sachanlagevermögens erfolgt. Zur Begründung führt die Beschlusskammer aus, dass nach dem Grundsatz der Bilanzidentität gem. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB die Wertansätze der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahres mit denen der Schlussbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahres übereinstimmen müssten. Da in der Schlussbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahres keine Neuanlagen gem. § 6 Abs. 1 StromNEV/GasNEV vorhanden seien, betrage der anzusetzende Jahresanfangsbestand für Neuanlagen i.S.d. StromNEV/GasNEV im ersten Jahr der Kostenwirksamkeit bzw. Aktivierung Null. Seien von der Antragstellerin im Vorjahr der Aktivierung für dem Antrag auf Genehmigung der Investitionsmaßnahme zugrunde liegende Anlagengüter bereits Anlagen im Bau geführt, so werde für das einzelne Projekt eine fiktive Inbetriebnahme der Anlagengüter zu Beginn des Jahres unterstellt und die bis zu diesem Zeitpunkt vollständig aktivierten Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlagengüter als Anfangswert für die Mittelwertbildung im ersten Jahr der Inbetriebnahme angesetzt.
Seite 10, Satz 3 der Festlegung gibt ferner vor, dass die Bilanzwerte der betriebsnotwendigen Finanzanlagen und des Umlaufvermögens nicht in die Ermittlung des betriebsnotwendigen Eigenkapitals eingehen, da es sich dabei nach der Begründung der Bundesnetzagentur um Größen handele, die nicht projektbezogen betrachtet werden könnten, sondern für den gesamten Betrieb ermittelt würden.
Die Festlegung ist am 5.2.2012 im Amtsblatt der Bundesnetzagentur veröffentlicht worden.
Gegen diese Festlegung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Betroffenen, mit der sie die Aufhebung der Festlegung und die Verpflichtung der Bundesnetzagentur zur Neubescheidung begehrt.
Die Betroffene ist der Ansicht, die Festlegung sei rechtswidrig, soweit diese im Rahmen der Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung einer Neuanlage im ersten Jahr ihrer Kostenwirksamkeit bzw. der Aktivierung einen Anfangsbestand von Null vorschreibe. Richtigerweise sei zu Jahresanfang der volle Anschaffungspreis für die Restwertermittlung zugrunde zu legen. Durch ihre bilanziell geleitete Berechnungsweise missachte die Bundesnetzagentur den kalkulatorischen Grundansatz für die Berechnung der Eigenkapitalverzinsung. Bilanzielle Regelungen wie der Grundsatz der Bilanzidentität könnten im Rahmen der kalkulatorischen Entgeltbildung nur dann Anwendung finden, wenn ausdrücklich auf sie verwiesen werde. Dies sei bei § 7 Abs. 1 Satz 4 StromNEV jedoch nicht der Fall. Damit seien die Vorgaben in § 7 Abs. 1 StromNEV als Grundlage zur Bestimmung der Netznutzungsentgelte heranzuziehen und nicht...