Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bestimmung der Erlösobergrenzen für die zweite Regulierungsperiode ist im Rahmen der Berechnung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung für Neuanlagen, die im Basisjahr aktiviert werden, der Jahresanfangsbestand bei der Mittelwertbildung nach § 7 Abs. 1 Satz 4 GasNEV nicht mit Null, sondern wegen § 6 Abs. 5 Satz 4 GasNEV in Höhe der Anschaffungs- und Herstellungskosten in Ansatz zu bringen.

2. Der Grundsatz der Bilanzidentität nach § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB findet wegen des kalkulatorischen Charakters der Eigenkapitalverzinsung keine Anwendung.

3. Der Ansatz der vollen Anschaffungs- und Herstellungskosten einer Neuanlage im Basisjahr beim Jahresanfangsbestand führt auch bei einer Gesamtbetrachtung der bilanziellen Vorgänge nicht zu einer regelmäßigen Doppelverzinsung.

 

Normenkette

EnWG § 21 Abs. 2 S. 1; ARegV § 6 Abs. 1, § 23; GasNEV § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 5 S. 3, § 5 S. 4, § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 7 S. 4, § 7 Abs. 2; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Bundesnetzagentur (Beschluss vom 03.04.2014; Aktenzeichen BK9-11/8164)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der Beschlusskammer 9 der Bundesnetzagentur vom 03.04.2014, BK9-11/8164, aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, die Betroffene unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zur Bestimmung des Jahresanfangsbestands der kalkulatorischen Restwerte bei Neuanlagen, die im Basisjahr aktiviert wurden, im Rahmen der Berechnung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung neu zu bescheiden.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der der Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Bundesnetzagentur.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Betroffene ist Betreiberin eines Gasverteilernetzes.

Mit dem angegriffenen Bescheid vom 03.04.2014 legte die Bundesnetzagentur die Erlösobergrenzen der Betroffenen für die zweite Regulierungsperiode (2013 bis 2017) niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Dabei setzte sie bei der Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung für Neuanlagen, die erstmals im Basisjahr 2010 aktiviert wurden, den Jahresanfangsbestand der kalkulatorischen Restwerte des Sachanlagevermögens im Rahmen der Mittelwertbildung nach § 7 Abs. 1 Satz 4 GasNEV unter Berufung auf den Grundsatz der Bilanzidentität gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB mit Null an.

Gegen diesen Berechnungsansatz wendet sich die Betroffene mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde.

Die Betroffene ist der Ansicht, die Festlegung der Erlösobergrenzen sei rechtswidrig, da die Bundesnetzagentur - entgegen der Vorgaben des § 7 Abs. 1 Satz 4 GasNEV - im Rahmen der Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung bei Neuanlagen im ersten Jahr ihrer Aktivierung den Jahresanfangsbestand mit Null und nicht entsprechend § 6 Abs. 5 Satz 4 GasNEV in Höhe der Anschaffungs- und Herstellungskosten in Ansatz gebracht habe. Auch der erkennende Senat gehe im Beschluss vom 11.09.2013, VI-3 Kart 198/12 (V), von der Rechtswidrigkeit dieser Vorgehensweise aus. Die zur Mittelwertbildung bei der Bestimmung der Kapital- und Betriebskosten genehmigter Investitionsmaßnahmen ergangene Entscheidung des Senats sei auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Nur durch die Einbeziehung der vollen ansatzfähigen Anschaffungs- und Herstellungskosten der Neuanlagen im Anschaffungsjahr sei eine angemessene, wettbewerbsfähige und risikoangepasste Eigenkapitalverzinsung i.S.v. § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG gewährleistet. Die Berechnungsmethode der Bundesnetzagentur führe demgegenüber dazu, dass der rechnerische Mittelwert der Investitionen im Zugangsjahr halbiert werde.

Die gegenteilige Ansicht der Bundesnetzagentur sei von einer handelsrechtlichen Sichtweise geprägt. Vorliegend sei jedoch eine kalkulatorische Kostenkalkulation vorzunehmen, für die nicht der Jahresabschluss oder bilanzrechtliche Grundsätze maßgebend seien. Der Hinweis auf § 4 GasNEV gehe fehl, da dort gerade nicht die Geltung handelsrechtlicher Grundsätze normiert sei. Das Datenmaterial aus der Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Bilanz sei danach nur Ausgangspunkt der kalkulatorischen Rechnung.

Die Ansicht der Bundesnetzagentur, die Bewertung des Jahresanfangsbestands von Neuanlagen mit den vollen Anschaffungs-/Herstellungskosten führe zu einer unsachgemäßen Erhöhung der Verzinsungsbasis und damit zu einer unangemessenen Doppelverzinsung, gehe fehl. Die nach Auffassung der Bundesnetzagentur festzustellenden Doppelberücksichtigungen träten entweder nicht auf oder ließen sich korrigieren. So habe sie im Erhebungsbogen B zur Berechnung der kalkulatorischen Zinsen den für die Anlagen im Bau angegebenen Betrag von ... EUR beim Anfangsbestand für Neuanlagen in Abzug gebracht und lediglich ... EUR anstelle von ... EUR ausgewiesen. Das von der Bundesnetzagentur anerkannte betriebsnotwendige Umlaufvermögen beinhalte keine Anteile für die Finanzierung der Neuanlagen (vgl. S. 24 ff. der Anlage I-NB zum angefochtenen Beschluss, Anlage BF1). Bei de...

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