Leitsatz (amtlich)

Hat der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung den Erhalt "leiblicher ehelicher Abkömmlinge" zum Auslöser für die Umwandlung der Vorerbschaft eines seiner Söhne in eine Vollerbschaft erklärt, so erfüllt die Adoption von Kindern diese Voraussetzung objektiv nicht.

Dies schließt indes nicht schon aus, dass nach dem maßgeblichen Willen des Erblassers auch der Adoption diese Bedeutung zukommen sollte (nicht allerdings, wenn zwei von sechs Neffen/Nichten - Enkelkinder des Erblassers - adoptiert wurden, ohne dass Anhalt bestand, dass der Erblasser diese vor seinen anderen Enkeln bevorzugen wollte).

 

Normenkette

GBO § 22; BGB §§ 133, 1754 Abs. 1, §§ 1772, 2084, 2100

 

Verfahrensgang

AG Geldern (Beschluss vom 28.03.2014; Aktenzeichen AL-1536-4)

 

Tenor

Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Beschwerdewert: jeweils 500.000 EUR

 

Gründe

I. Die am 21.6.1969 verstorbene M. A. errichtete zu Urk. R.- Nr. 978/1969 des Notars Dr. K. in Kempen vom 18.6.1969 ein Testament, in dem sie ihren sechs Kindern M. V., M. T., K. C., G. A., Dr. H. A. und A. A. ihren umfangreichen Grundbesitz vererbte, wobei sie durch Teilungsanordnung bestimmte, dass ihren Söhnen der eingangs bezeichnete Grundbesitz zukommen sollte. Weiter ist dort u.a. bestimmt:

"Mein Sohn A. erhält die Stellung eines Vorerben.

Als solcher ist er von allen Beschränkungen und Verpflichtungen, soweit dies gesetzlich zulässig ist, befreit.

Die Vorerbschaft von A. wandelt sich in eine Vollerbschaft um, sobald er leibliche eheliche Abkömmlinge erhält.

Die Nacherbfolge tritt mit dem Tod von A. ein.

Nacherben sind meine Söhne G. und H. je zur Hälfte.

..."

Der am 10.4.1999 verstorbene Sohn H. wurde von seiner Ehefrau M. J. A. allein beerbt. Dem entsprechend waren als Eigentümer des hier in Rede stehenden Grundbesitzes die Geschwister G., A. sowie M. J. A. in Erbengemeinschaft eingetragen.

M. J. A. ist am 27.4.2006 verstorben; die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Kinder der Eheleute H. und M. J. A..

Der unabgeteilte Anteil der M. A. wurde nach deren Tod am 25.10.2007 aufgrund Erbfolge (AG Geldern 10 IV 260/99; Erbvertrag vom 6.6.1995) und im Übrigen ohne Eigentumswechsel auf die Beteiligten zu 1 und 2 umgeschrieben.

Der unabgeteilte Anteil des G. A. wurde nach dessen Tod am 21.1.2013 aufgrund Erbfolge (AG Geldern 10 IV 228/06; notarielles Testament vom 29.3.2006) auf dessen Kinder, die Beteiligten zu 3 bis 6 umgeschrieben.

Bezüglich deren Anteil am Erbe ist in Abt. II des Grundbuchs eingetragen:

"Bezüglich des Miterbenanteils des Miterben A. A. ist Nacherbfolge angeordnet. Nacherben sind die Miteigentümer G. A. und Dr. H. A.. Die Nacherbfolge tritt mit dem Tode des Vorerben ein. Die Vorerbschaft des A. A. wandelt sich in eine Vollerbschaft um, sobald er leibliche Abkömmlinge erhält. Der Vorerbe ist von allen Beschränkungen und Verpflichtungen, soweit gesetzlich zulässig, befreit."

Durch rechtskräftigen Beschluss vom 29.1.2007 (10 XVI A 10/06) stellte das AG Geldern fest, dass A. A. die Beteiligten zu 1 und 2 mit der rechtlichen Stellung als Kinder nach den Vorschriften über die Annahme Minderjähriger, beruhend auf § 1772 BGB, angenommen hat.

Nach dem zu UR-Nr. 555/1991 des Notars Dr. K. K. in Kempen vom 20.3.1991 errichteten Testament (AG Geldern 26 IV 286/12) haben die Beteiligten zu 1 und 2 den am 7.5.1928 geborenen, unverheiratet und kinderlos am 5.4.2012 verstorbenen A. A., dessen Neffe und Nichte sie sind, zu je 1/2 Anteil beerbt; das Testament wurde am 15.5.2012 (AG Kempen, 27 IV 116/91 = 26 IV 286/12) dahin eröffnet, dass Erben nach dem Verstorbenen die Beteiligten zu 1 und 2 sind.

Mit Schrift vom 25.2.2014 beantragten die Beteiligten zu 1 und 2, sie im Wege der Berichtigung der eingangs bezeichneten Grundbücher in Abt. I anstelle des Erblassers in Erbengemeinschaft als Eigentümer einzutragen.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 28.3.2014 den Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 abgelehnt und ausgeführt, grundsätzlich sei nach Eintritt des Nacherbfalls durch den Tod des Vorerben (Erblassers A. A.) die Erbfolge nach der ursprünglichen Erblasserin, seiner am 21.6.1969 verstorbenen Mutter, in grundbuchmäßiger Form nachzuweisen. Nach den von der Mutter getroffenen Anordnungen sei dies für den Fall entbehrlich, dass der Vorerbe zum Vollerben geworden ist. Ausweislich der in der Nachlassakte des AG Geldern (6 IV 313/1969) enthaltenen Anordnung der Mutter in dem notariellen Testament vom 18.6.1969 (UR-Nr. 978/1969, Notar Dr. K. K. in Kempen), das Grundlage für die Eintragung des Nacherbenvermerks gewesen sei, erhalte der Erblasser die Stellung eines befreiten Vorerben. Die Vorerbschaft wandele sich in eine Vollerbschaft um, "sobald er leibliche eheliche Abkömmlinge erhält".

Die Annahme der volljährigen Beteiligten zu 1 und 2 (Neffe bzw. Nichte) nach den Vorschriften über die Annahme Minderjähriger stehe dem nicht gleich. Es bestehe kein Spielraum für eine weitere Auslegung des Erblasserwillens, da die Erblasserin in einem notariellen Testament eindeutig nicht nur leibliche, sonde...

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