Leitsatz (amtlich)

1. Der Nachweis der Betriebsnotwendigkeit eines höheren als des anerkannten Umlaufvermögens kann mittels Darstellung des Cash Flow des Basisjahres geführt werden. Ein negativer Cash Flow belegt Liquiditätsbedarf, der auch durch Umlaufvermögen gedeckt werden kann. Jedoch hat der negative Cash Flow aus der langfristigen Investitionstätigkeit bei der Bewertung des Liquiditätsbedarfs für die Notwendigkeit der Anerkennung weiteren Umlaufvermögens außer Betracht zu bleiben.

2. Die Einstufung von Kosten als dauerhaft nicht beeinflussbar erfolgt bei der Festlegung der Erlösobergrenze für die jeweilige Regulierungsperiode. Während der Regulierungsperiode kann eine abweichende Einordnung nicht mehr formlos nach erneuter Überprüfung erfolgen, sondern der Festsetzungsbescheid als solcher müsste aufgehoben, abgeändert oder widerrufen werden. Durch eine formlose nachträgliche Umgruppierung werden die von § 29 Abs. 2 EnWG und §§ 48, 49 VwVfG aufgestellten Voraussetzungen für eine Änderung, Rücknahme, Aufhebung oder Widerruf der bestandskräftig festgelegten Erlösobergrenzen umgangen.

3. Gesamtzusagen, die auf Vorstandsbeschlüsse zurückgehen, fallen nicht unter den Begriff der "betrieblichen Vereinbarung" im Sinne des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 9 ARegV, der nur Betriebsvereinbarungen umfasst. Auf solchen Gesamtzusagen beruhende Kosten für Altersvorsorgeaufwendungen, Telefonkostenerstattung sowie aus einer Dienstwagenregelung für Prokuristen und Geschäftsführer stellen daher keine dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten im Sinne des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 9 ARegV dar.

 

Normenkette

EnWG § 21 Abs. 2 S. 1, § 29 Abs. 2; ARegV § 5 Abs. 2 S. 3, Abs. 4, § 6 Abs. 1, § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 9, §§ 23, 27 Abs. 1 S. 2; GasNEV § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 2 S. 4, Abs. 5 S. 3, § 6 S. 4, § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 7 Nr. 4, § 7 Abs. 1 S. 4, Abs. 2; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 1; VwVfG §§ 24, 48-49

 

Verfahrensgang

Beschlusskammer 9 der Bundesnetzagentur (Beschluss vom 10.04.2014; Aktenzeichen BK9-11/8013)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Betroffenen vom 12.05.2014 wird der Beschluss der Beschlusskammer 9 der Bundesnetzagentur vom 10.04.2014, BK9-11/8013, aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, die Betroffene unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Betroffene zu 60 % und die Bundesnetzagentur zu 40 %.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird

bis zum 26.08.2015 auf... Euro,

sodann auf... Euro festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Betroffene, die... durch Abspaltung von der ehemaligen B. AG entstanden und heute eine Konzerngesellschaft der C. S. A. (...) ist, betreibt ein Gasverteilernetz...

Mit dem angegriffenen Bescheid vom 10.04.2014 legte die Bundesnetzagentur die Erlösobergrenzen für die zweite Regulierungsperiode (2013 bis 2017) niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Bei der Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung für Neuanlagen, die erstmals im Basisjahr 2010 aktiviert wurden, setzte sie den Jahresanfangsbestand der kalkulatorischen Restwerte des Sachanlagevermögens im Rahmen der Mittelwertbildung nach § 7 Abs. 1 Satz 4 GasNEV unter Berufung auf den Grundsatz der Bilanzidentität gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB mit Null an.

Den von der Betroffenen hinsichtlich des Umlaufvermögens angesetzten Wert in Höhe von... EUR kürzte die Bundesnetzagentur um... EUR auf... EUR mit der Begründung, dass die Differenz nicht betriebsnotwendig sei. Die von der Betroffenen im Hinblick auf das Regulierungskonto gebildete Rückstellung in Höhe von... EUR bewertete die Bundesnetzagentur als Abzugskapital.

Hinsichtlich der anerkennungsfähigen Dienstleistungsentgelte, die die Betroffene an ihre Dienstleisterin D. bezahlt, nahm die Bundesnetzagentur eine Kürzung in Höhe von... EUR vor.

Des Weiteren setzte sie den Saldo des Regulierungskontos der Jahre 2009-2011 auf insgesamt... EUR fest, woraus sich jährliche Zuschläge auf die Erlösobergrenze in der zweiten Regulierungsperiode zwischen... EUR (2013) und... EUR (2017) ergeben. Bei der Ermittlung des Saldos lehnte die Bundesnetzagentur Kostenanpassungen zum 1.1.2010 sowie zum 1.1.2011 im Hinblick auf Positionen ab, die sie mit dem die Erlösobergrenzen für die erste Regulierungsperiode festsetzenden Beschluss vom 22.12.2008 als dauerhaft nicht beeinflussbar anerkannt hatte. Von der Betroffenen geltend gemachte Kostensteigerungen i.H.v... EUR akzeptierte die Bundesnetzagentur nur i.H.v... EUR und reduzierte insofern die Erlösobergrenze für 2010 auf den Wert des Basisjahres für folgende Kostenpositionen:

Kostenposition Abweichung in Euro

Sachleistungen ...

Altersvorsorgeaufwendungen ...

Berufsgenossenschaft ...

Telefon Kostenerstattung ...

Zugleich erhöhte die Bundesnetzagentur die angepasste Erlösobergrenze um den Wert aus dem Basisjahr 2006 für mehrere kleinere Einzelpositionen um insgesamt... EUR. Im Ergebnis weicht die Erlösobergrenze für das Kalenderjahr...

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