Leitsatz (amtlich)
Gehen von einem in einer Eigentumswohnung betriebenen Bordell Störungen aus, die die gemeinschaftliche Nutzung der Wohnungseigentumsanlage oder den Verkehrswert oder Mietpreis der Wohnungen nicht unerheblich beeinträchtigen, so können die übrigen Eigentümer Unterlassung dieser Nutzung verlangen.
Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs Berlin an (VHG Berlin WuM 2003, 39 = NZM 2003, 112), wonach das Grundrecht auf Eigentum es nicht gebietet, den Nachteilsbegriff des § 14 Nr. 1 WEG auf physikalische Einwirkungen wie Immissionen zu beschränken. Die Beeinträchtigung kann auch darin bestehen, dass ein zwar gesetzlich erlaubter, aber mit einem sozialen Unwerturteil breiter Bevölkerungskreise behafteter Betrieb sich negativ auf den Verkehrswert oder Mietpreis der Eigentumswohnungen auswirkt.
Normenkette
WEG §§ 14-15; BGB § 1004
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Beschluss vom 11.11.2002; Aktenzeichen 10 T 27/02) |
AG Wuppertal (Aktenzeichen 94 UR II 57/01 WEG) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die in dritter Instanz entstandenen Gerichtskosten sowie die den Antragstellern notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Wert: 3.500 Euro.
Gründe
I. Die Antragsteller und der Antragsgegner bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft L. in W.; wegen der Einzelheiten der Örtlichkeiten wird auf den überreichten Lageplan (Bl. 52 d.A.) Bezug genommen.
Dem Antragsgegner gehören alle fünf Wohnungen in dem Gebäude Nr. …. In – jedenfalls – einem der zum Sondereigentum des Antragsgegners gehörenden Appartements wird ein Bordellbetrieb unterhalten.
In der Versammlung vom 16.8.2000, wegen deren Einzelheiten auf die Anlage zur Antragsschrift Bezug genommen wird, beschlossen die Antragsteller, ihn insoweit auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.
Durch Beschluss vom 7.3.2002 hat das AG dem Antragsgegner antragsgemäß untersagt, in den zu seinem Sondereigentum gehörenden Räumlichkeiten des Objekts L., W., einen bordellähnlichen Betrieb zu betreiben oder den Betrieb durch einen Dritten zu dulden, und zugleich für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft angedroht.
Die dagegen gerichtete Beschwerde ist vom LG zurückgewiesen worden. Der Antragsgegner hat sofortigeweitere Beschwerde eingelegt, mit der er sein früheres Vorbringen wiederholt und vertieft. Er macht im Wesentlichen geltend: Die in der Teilungserklärung – Fassung vom 9.12.1992 – geregelte getrennte Verwaltung der beiden Häuser sei von den Vorinstanzen rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt worden; ideelle Einwirkungen auf ein Grundstück könnten nicht aufgrund § 1004 BGB untersagt werden, und schließlich sei ein etwaiger Anspruch der Antragsteller verwirkt, da der beanstandete Betrieb bereits 1994 begonnen habe und die Antragsteller bislang nichts dagegen eingewendet hätten.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes, § 27 FGG.
Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Aus der getrennten Verwaltung beider Häuser der Wohnungseigentumsanlage folge nicht, dass die Pflichten aller Beteiligten als Wohnungseigentümer gem. den §§ 14 Nr. 1, Nr. 2 und 15 WEG damit aufgehoben wären. Dies ergäbe sich u.a. daraus, dass es eine Hoffläche zwischen dem Vorderhaus und dem Hinterhaus gäbe, die gemeinschaftlich betreten und genutzt werde, so dass allein schon darüber die wechselseitigen Pflichten der Wohnungseigentümer zur Rücksichtnahme und ordnungsgemäßen Nutzung fortbestünden. Hierzu habe die Kammer aufgrund Anhörung der Beteiligten und der Vernehmung mehrerer Zeugen umfangreiche Ermittlungen angestellt, die zweifelsfrei ergäben, dass von dem Bordellbetrieb, den Mieter des Antragsgegners in einem Teil der Räume des Hauses L. betrieben, umfangreiche Störungen ausgingen, die die gemeinschaftliche Nutzung der Wohnungseigentumsanlage schwer beeinträchtigten. Alle Beteiligten und Zeugen hätten von durchgehendem Lärm tagsüber und insb. nachts berichtet, der die Beteiligten teilweise veranlasst habe, ihr Wohnungseigentum nicht mehr selbst zu nutzen, teilweise hätten die Beteiligten ihre Schlafzimmer verlegt. Soweit dies nicht möglich gewesen sei, hätten die Beteiligten bzw. Zeugen Unannehmlichkeiten tags- und nachtsüber in Kauf nehmen müssen, wenn Freier sich in der Adresse des Bordellbetriebes geirrt und an fremden Schellen geklingelt hätten, wenn Freier an Rollläden geklopft und gezerrt hätten, um sich Einlass zu verschaffen oder in Erfahrung zu bringen, ob in bestimmten Räumen ein Bordellbetrieb stattfinde. Weitere Beeinträchtigungen hätten darin gelegen, dass Zuhälter, die ihre Kampfhunde auf einem gegenüberliegenden Fremdgelände abgerichtet hätten, dann in den Bordellbetrieb unter Mitnahme ihrer Kampfhunde hineingegangen seien. Das Tor zum Hof sei häufig zugestellt gewesen, wenn Freier oder Zuhälter ihre Fahrzeuge falsch geparkt hätten. Die An- und Abfahrt der Gäste des Bordellbetriebs habe...