Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Erblasser seiner Ehefrau das "beim Erbfall bewohnte Wohnhaus" als Vorausvermächtnis zugewendet und sind die Eheleute aufgrund der Pflegebedürftigkeit des Erblassers zu ihren Töchtern gezogen, erfordert die Inanspruchnahme des Vorausvermächtnisses, dass der Umzug aus dem ehelichen Haus nach dem Willen der Eheleute nur vorübergehend sein sollte und die Ehefrau noch im Zeitpunkt des Erbfalles die Absicht hat, in ihr früheres Wohnhaus zurückzukehren.
2. Von dem Vermächtniszweck ist es nicht gedeckt, wenn der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt des Erbfalles eine andere Unterkunft gefunden hat und ein Rückgriff auf die ehemals eheliche Wohnung völlig ungewiss ist.
3. Ein Fehlverhalten des zum Testamentsvollstrecker berufenen Miterben im Sinne von § 2227 BGB scheidet nicht deshalb aus, weil der Testamentsvollstrecker Handlungen zur Auseinandersetzung des Nachlasses unter Inanspruchnahme einer ihm vom Erblasser über dessen Tod hinaus erteilten Generalvollmacht veranlasst.
4. Enthält die Generalvollmacht Vorgaben zur Nachlassverwaltung oder Nachlassauseinandersetzung und hat sich der Bevollmächtigte im Rahmen dieser Vorgaben gehalten, ist dies bei der Beurteilung möglicher Entlassungsgründe zu berücksichtigen.
5. Misstrauen in die ordnungsgemäße Amtsführung als Testamentsvollstrecker kann es begründen, wenn dieser haltlose Forderungen reklamiert oder seine Testamentsvollstreckerleistungen pauschal mit einem weit übersetzen Betrag abrechnet.
6. Hat der Erblasser dem Testamentsvollstrecker bei der Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses einen weiten Handlungs- und Entscheidungsspielraum zugebilligt, andererseits aber durch dezidierte Vorgaben zum Ausdruck gebracht, dass für ihn die wertmäßig exakte Aufteilung seines Nachlasses unter den Miterben von großer Bedeutung ist, führen Verfehlungen des Testamentsvollstreckers, die auf eine erhebliche Schädigung der Miterben gerichtet waren, zu seiner Entlassung.
Normenkette
BGB § 2198 Abs. 1, § 2199 Abs. 2, § 2227; FamFG § 59 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Aktenzeichen 93a VI 52/19) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 4. wird verworfen.
II. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 5. wird der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf - Nachlassgericht - vom 8. September 2021 abgeändert.
Auf den Antrag der Beteiligten zu 5. vom 24. Juni 2020 wird die Beteiligte zu 1. aus ihrem Amt als Testamentsvollstreckerin entlassen.
III. Die Beteiligte zu 1. hat die Gerichtskosten des ersten Rechtszuges zu tragen. Sie hat darüber hinaus der Beteiligten zu 5. die ihr im amtsgerichtlichen Verfahren sowie im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beteiligten zu 4. zur Last.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
V. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1. ist aufgrund gemeinschaftlichen Testaments vom 19. Juli 1991 (GA 12 ff.) zur Testamentsvollstreckerin nach dem Tod ihres vorverstorbenen Ehemannes berufen. In der letztwilligen Verfügung der Eheleute heißt es dazu:
"5. Abwicklungstestamentsvollstreckung
Der Zuerstversterbende von uns ordnet für seinen Nachlass Testamentsvollstreckung an und bestimmt den überlebenden Ehegatten zu seinem Testamentsvollstrecker. Der Testamentsvollstrecker hat den Nachlass abzuwickeln und die Vermächtnisse zu erfüllen. Er ist berechtigt, den Nachlass unter den Erben nach seinem billigen Ermessen zu teilen. Dem Testamentsvollstrecker stehen alle Rechte und Befreiungen zu, die nach dem Gesetz zulässig sind. Insbesondere ist er in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt und vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit."
Die Beteiligte zu 1. hat das Amt der Testamentsvollstreckerin mit notarieller Urkunde vom 17. Januar 2019, beim Nachlassgericht eingegangen am 23. Januar 2019, angenommen (...); ihr ist am 12. November 2019 ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt worden (...).
Der Beteiligten zu 1. (und den Beteiligten zu 2. und zu 3.) ist darüber hinaus vom Erblasser durch notarielle Urkunde vom 16. Februar 2018 (...) Generalvollmacht in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten und über den Tod des Vollmachtgebers hinaus eingeräumt worden. In der Notarurkunde ist klargestellt, dass die Vollmacht im Innenverhältnis nur verwendet werden soll, wenn der Erblasser aufgrund einer körperlichen oder psychischen Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen oder wenn er den Bevollmächtigten ausdrücklich beauftragt.
Die Beteiligten zu 2. bis zu 5. sind die ehelichen Abkömmlinge der Eheleute. Sie sind neben der Beteiligten zu 1., auf die eine hälftige Erbquote entfällt, testamentarisch zu jeweils 1/8 als Erben des Erblassers eingesetzt. Ein gemeinschaftlicher Erbschein mit diesem Inhalt ist am 12. November 2019 erteilt worden (...).
Soweit vorli...