Leitsatz (amtlich)
1. Ein noch abzuschließendes Rechtsgeschäft ist kein behebbares Hindernis i.S. des § 18 Abs. 1 Satz 1 2. Fall GBO betreffend einen Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs.
2. Hat der Erblasser eine unwirksame letztwillige Verfügung getroffen und ist mangels mehrerer Deutungsmöglichkeiten eine Auslegung gemäß §§ 133, 2084 BGB nicht möglich, kommt eine Umdeutung gemäß § 140 BGB in Betracht (hier: Erbeinsetzung in einen Einzelgegenstand in eine Teilungsanordnung).
Normenkette
BGB § 140; GBO § 2. Fall, § 18 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Mülheim a.d. Ruhr (Aktenzeichen SA-2722-15) |
Gründe
I. Die Beteiligte ist die Ehefrau des am 11.01.2023 verstorbenen Erblassers. Aus der Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen. Die Eheleute sind aufgrund des notariellen Kaufvertrages vom 06.06.2019 zu je 1/2 als Eigentümer des im Rubrum bezeichneten Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen. Am 15.12.2022 ließen die Eheleute ein notarielles gemeinschaftliches Testament beurkunden. In § 1 trafen sie folgende Regelung.
"Wir setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden von uns zu 6/7 zum Erben ein.
Der Erstversterbende setzt darüber hinaus unseren Sohn N. zu 1/7 zum Vorerben ein.
Dabei ordnen wir an: sollten sich beim Tode des Erstversterbenden von uns das Grundstück (...) oder andere Immobilien in seinem Nachlass befinden, wird in Bezug auf dieses Grundstück der Überlebende von uns auch in Ansehung von § 2087 Abs. 2 BGB, auf den die Notarin uns hingewiesen hat, ausdrücklich alleiniger Erbe. Der Wert des Grundstücks mindert den Wert des Erbanspruchs des Überlebenden auf das Restvermögen. Insgesamt soll der Überlebende vom Restvermögen so viel erhalten, dass der Wert des Grundstücks und der Anteil am Restvermögen seiner Erbquote am gesamten Nachlass entsprechen. Reicht das Restvermögen nicht aus, um die Erbquote unseres Sohnes N. auszugleichen, so ist der Überlebende ihm gegenüber zur Ausgleichung verpflichtet."
Hinsichtlich aller Erbfälle des Sohnes N., der eine Behinderung hat und unter Betreuung steht, ist in § 5 Testamentsvollstreckung für dessen Lebenszeit angeordnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Testamentsurkunde Bezug genommen.
Das Testament wurde am 27.02.2023 eröffnet (AG Mülheim a.d. Ruhr, 4 IV 975/22).
Die Beteiligte hat mit Schreiben vom 15.04.2023, bei Gericht eingegangen am 20.04.2023, die Grundbuchberichtigung beantragt.
Das Grundbuchamt - Rechtspflegerin - hat ihr mit formloser Zwischenverfügung am 20.04.2023 mitgeteilt, dass nach dem Testament sie und ihr Sohn N. gemeinsam Erben nach dem Erblasser geworden seien. Die Grundbuchberichtigung müsse daher auf sie beide als Erbengemeinschaft erfolgen. Falls sie die Eintragung als Alleineigentümerin wünsche, sei eine Auseinandersetzung mit ihrem Sohn sowie die Auflassung gemäß §§ 873, 925 BGB vor einem Notar erforderlich. Hierfür werde eine Frist bis zum 16.06.2023 gesetzt. Ohne Rückmeldung werde nach Fristablauf die Erbengemeinschaft als Eigentümerin des Miteigentumsanteils in das Grundbuch eingetragen.
Hiergegen hat sich die Beteiligte - vertreten durch ihren Verfahrensbevollmächtigten - gewandt. Sie hat zwar zugestanden, dass sie neben ihrem Sohn N. Erbin geworden sei; hinsichtlich des Grundbesitzes hätten die Testierenden aber eine Alleinerbenstellung des überlebenden Ehegatten bestimmt, so dass sie Alleineigentümerin des Miteigentumsanteils und damit Alleineigentümerin des gesamten Grundbesitzes sei. Für eine Auslegung im Sinne der Zweifelsregelung sei angesichts des ausdrücklichen Verweises auf die Vorschrift des § 2087 Abs. 2 BGB kein Raum.
Mit der angefochtenen Zwischenverfügung hat das Grundbuchamt eine neue Frist zur Behebung des Hindernisses bis zum 21.07.2023 gesetzt. Es hat ausgeführt, dass gemäß § 1922 Abs. 1 BGB nur das Vermögen als Ganzes, nicht aber einzelne Gegenstände vererbt werden könnten. Diese könnten nur Gegenstand von Teilungsanordnungen oder Vermächtnissen sein, die wiederum nur schuldrechtliche Ansprüche gegen die Erben zu Folge hätten. Eine Alleinerbenstellung der Beteiligten komme nur in Betracht, wenn es sich bei dem der Beteiligten in § 1 Abs. 3 des Testaments zugedachten hälftigen Grundbesitzes um nahezu das gesamte Vermögen des Erblassers handele. Dies könne aber nur im Erbscheinverfahren festgestellt werden. Die Beteiligte habe innerhalb der Frist eine Auflassungserklärung oder einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein vorzulegen; andernfalls werde das Grundbuch auf die Erbengemeinschaft umgeschrieben.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer Beschwerde, mit der sie ihren Antrag unter Aufrechterhaltung und Vertiefung ihres Standpunkts weiterverfolgt.
Mit Beschluss vom 17.07.2023 hat das Grundbuchamt der Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Grundakten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 is...