Leitsatz (amtlich)
Übernimmt ein Rechtsanwalt eine Rechtsauskunft über eine konkrete Frage oder erstellt er ein schriftliches Rechtsgutachten, kann ein Werkvertrag vorliegen. Wird die anwaltliche Leistung so spät erbracht, dass eine sinnvolle Verwertung für den Auftraggeber nicht mehr zumutbar erscheint, liegt keine ordnungsgemäße, abnahmefähige Leistung vor.
Ist nach der Interessenlage der Parteien und nach dem Sinn und Zweck des Vertrags der Leistungszeitpunkt so wesentlich, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darzustellen vermag, können die Grundsätze des absoluten Fixgeschäfts Anwendung finden. Kann der Leistungserfolg nicht mehr eintreten, liegt Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB vor, welche gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB zum Wegfall des Anspruchs auf die Gegenleistung führt.
Ist beim Anwaltsdienstvertrag aufgrund des Zeitablaufs das Interesse an der Dienstleistung weggefallen, besteht der Schaden des Dienstberechtigten darin, dass er mit einem Vergütungsanspruch belastet ist. Auch das Dienstvertragsrecht kennt "absolute Fixschulden", deren Leistung allein durch erfolglosen Ablauf des letztmöglichen Leistungszeitpunkts objektiv unmöglich wird.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 16 O 44/18) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Der auf den 16. November 2021 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 54.740,00 festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte, eine Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht, Ansprüche auf Honorarzahlung geltend.
Im Sommer 2015 vermittelte ein Partner der Klägerin, Rechtsanwalt F (im Folgenden: F), der Beklagten einen Mandatsauftrag für die A GmbH (im Folgenden: A). Diese und die E mbH (im Folgenden: E) waren Parteien eines Schiedsgerichtsverfahrens. Die E hatte die A auf ca. EUR Mio. 65 verklagt. Im Zuge von Vergleichsverhandlungen handelten die Parteien jenes Verfahrens einen Vergleichsbetrag von EUR Mio. 11,8 aus. Der Vergleich bedurfte zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung des Aufsichtsrats der A. Dieser wünschte eine anwaltliche Bewertung etwaiger strafrechtlicher Risiken bei Zustimmung zu dem Vergleichsvorschlag. F, der für die Klägerin überwiegend im gesellschafts- und zivilrechtlichen Bereich tätig ist, schlug vor, nicht ihn, sondern eine Strafrechtlerin, die Beklagte, mit der Gutachtenerstellung zu betrauen. Hiermit war die A einverstanden.
F nahm daraufhin mit der sich im Urlaub befindlichen Beklagten Kontakt auf, welche mit der Mandatsübernahme einverstanden war. Daraufhin fertigte F Entwürfe einer zwischen der A und der Beklagten zu schließenden Vergütungs- und einer Haftungsbeschränkungsvereinbarung, welche mit diesen Inhalten geschlossen wurden (vgl. Anl. B1, Vergütungsvereinbarung vom 20./30. Juli 2015, Anlagenband II = AII 2-3; Anl. B6, Haftungsbeschränkungsvereinbarung vom 20./30. Juli 2015, A II 27). Die Vergütungsvereinbarung belief sich auf einen Pauschalbetrag von EUR 46.000,00 zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer.
F besorgte die zur Bearbeitung erforderlichen Akten und übergab sie der Beklagten nach deren Urlaubsrückkehr am 3. August 2015. Des Weiteren sollte er den von der Beklagten zu beurteilenden Sachverhalt in tatsächlicher und in zivilrechtlicher Hinsicht aufbereiten und dies der Beklagten als Grundlage für die Erstellung ihres Gutachtens zur Verfügung stellen. Einzelheiten hierzu sind zwischen den Parteien streitig. Hierfür sollte er eine Vergütung iHv EUR 23.000,00 zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer erhalten.
Die Beklagte sorgte während ihres Urlaubs dafür, dass die Akten, welche u.a. mehrere Leitzordner und insgesamt ca. 2.000 Seiten enthalten, zu F gebracht werden. Eine schriftliche Ausarbeitung durch F lag am 3. August 2015 nicht vor. Die Beklagte ließ von der A die zum 10. August 2015 vereinbarte Frist zur Gutachtenerstellung verlängern. Auf den 20. August 2015 war eine Sitzung des Aufsichtsrats der A terminiert, zu dem die Beklagte das Gutachten - jedenfalls mündlich - erstatten sollte. Diese Sitzung wurde aus zwischen den Parteien streitigen Gründen auf den 27. August 2015 verschoben. Am Wochenende des 15./16. August 2015 trafen sich F und die Beklagte zufällig auf der Straße. Hierbei teilte F der Beklagten mit, das Gutachten müsse nicht angefertigt werden, die Aufsichtsratssitzung fände nicht statt. Dies stellte sich nachfolgend jedoch als Falschinformation heraus, was F der Beklagten mit E-Mail vom 25. August 2015 (15:16 Uhr) mitteilte (Anl. B 12, AII 68). Mit dieser E-Mail übersandte F ein Memo mit einem Umfang von 4 1/2 Seiten, welches eine Sachverhaltsdarstellung (knapp 3 Seiten) und eine zivilrechtliche Bewertung (knapp 1 1/2 Seiten) enthielt (Anl. K1, AI 1-5). Zwischen den Parteien steht im Streit, ob diese Ausführungen des F von der Beklagten verwendet wurden.
Die Beklag...