Leitsatz (amtlich)
›Zur Verantwortlichkeit eines "Fuhrparkleiters" für die Einhaltung von Lenkzeiten, Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten.‹
Verfahrensgang
AG Wuppertal (Entscheidung vom 07.03.2006; Aktenzeichen 90 Js 7964/05 OWi) |
Gründe
I.
Das Amtsgericht Wuppertal hat den Betroffenen wegen "fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 8 Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 2 FPersG, 22 Abs. 1 FPersV" zu einer Geldbuße von 250 EUR verurteilt. Mit Beschluss vom 20. Oktober 2006 hat der Einzelrichter die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen zugelassen, um die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen, und hat die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge (vorläufigen) Erfolg. Das angefochtene Urteil ist materiell-rechtlich fehlerhaft, da sich die tatrichterlichen Feststellungen als lückenhaft erweisen und den Schuldspruch nicht tragen.
Das Amtsgericht hat zum Tatvorwurf folgende Feststellungen getroffen:
"Der Betroffene ist Angestellter der Speditionsfirma M.J. GmbH, die ihr Betriebsgelände ebenso wie die Firma W.G. Handelsgesellschaft mbH auf dem Gelände W. 351 in W. hat und mit dieser Gesellschaft auch personell verflochten ist. Bis zum 31.07.2005 war die Stelle "Fuhrparkleiter" bei der Fa. W.G. nicht besetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt übernahm der Betroffene aushilfsweise die Beaufsichtigung der Ladung der Fahrzeuge und die Zusammenstellung der Touren. So auch bei einer Fahrt des Fahrers K.R. am 05./06.06.2005. Dieser wurde am 06.06.2005 um 20.45 Uhr von dem Zeugen PK B. kontrolliert. Anhand der sichergestellten Schaublätter aus dem EG-Kontrollgerät stellte der Zeuge fest, dass der Fahrer vom 05.06.2005 (einem Sonntag) um 20.30 Uhr bis zum 06.06.2005 um 20.30 Uhr gefahren war. Die tägliche Lenkzeit betrug 11 Stunden und 40 Minuten. Die tägliche Ruhezeit betrug 0.00 Stunden."
Diese Feststellungen rechtfertigen den Schuldspruch nicht. Eine Verantwortlichkeit des Betroffenen für die Nichteinhaltung der Lenkzeiten, Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten kommt hier nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist die Verhängung einer Geldbuße gegen den Betroffenen wegen Zuwiderhandlung gegen das Fahrpersonalgesetz, durch das der Unternehmer verpflichtet wird, nur dann möglich, wenn der Betroffene vom Inhaber des Betriebes oder einem sonst dazu Befugten ausdrücklich beauftragt worden ist, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebes obliegen.
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht hinreichend entnehmen. Das Amtsgericht hat schon nicht festgestellt, wer dem Betroffenen den Auftrag zur Leitung des Fuhrparks erteilt hat. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG kann eine wirksame Beauftragung nur durch den Inhaber des Betriebes oder einen sonst dazu Befugten erfolgen (vgl. BayObLG NZV 1994, 82). Dass der Betroffene kein Arbeitnehmer der Fahrzeughalterin, der Firma W.G. Handelsgesellschaft mbH, sondern der auf demselben Betriebsgelände ansässigen Schwesterfirma war, steht zwar der Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG nicht entgegen, da sich die Möglichkeit einer Beauftragung nicht auf Betriebsangehörige beschränkt (vgl. KK-Rogall, OWiG, 3. Aufl., § 9 Rdn. 81). Jedoch geht aus der unzureichenden Feststellung, dass es der Betroffene während der Vakanz der Fuhrparkleiterstelle bei der Firma W.G. Handelsgesellschaft mbH aushilfsweise übernahm, die Ladung der Fahrzeuge zu überwachen und die Touren zu disponieren, nicht hervor, welche übergeordnete Person ihn damit beauftragt hat.
Der Begriff "Fuhrparkleiter" wie auch die genannte Aufgabenbeschreibung besagen im übrigen nichts darüber, ob dem Betroffenen vom Inhaber des Betriebes oder einem sonst dazu Befugten ausdrücklich der Auftrag erteilt worden ist, in eigener Verantwortung die dem Unternehmer obliegenden Verpflichtungen aus dem Fahrpersonalgesetz wahrzunehmen (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 25. Juni 1992, 3 Ss OWi 59/92, Quelle: juris). Die bloße tatsächliche Wahrnehmung der dem Inhaber des Betriebes aus dem Fahrpersonalgesetz erwachsenen Pflichten durch den Betroffenen würde für eine Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG nicht ausreichen. Erforderlich wäre vielmehr ein Auftrag, der ausdrücklich und unter Hinweis auf die Verantwortlichkeit für die Pflichten, die dem Betriebsinhaber bei der Überwachung des Fahrpersonals obliegen, erteilt worden wäre. Dabei hätte der Betroffene damit beauftragt werden müssen, diese Pflichten in eigener Verantwortung zu erfüllen, d.h. mit entsprechenden Selbständigkeit und Entscheidungsfreiheit (vgl. OLG Hamm a.a.O., OLG Schleswig VRS 58, 384, 386). Der Betroffene hätte in der Lage sein müssen, von sich aus ohne Weisung des Betriebsinhabers die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Erfüllung der Pflichten aus dem Fahrpersonalgesetz notwendig waren (vgl. OLG Düsseldorf VRS 63, 135, 137; Göhler, OWiG, ...