Leitsatz (amtlich)
1. Ein Rechtsanwalt, der in Vergleichsverhandlungen eingeschaltet ist, muss seinen Mandanten auf Vor- und Nachteile des beabsichtigten Vergleichs hinweisen, ihm also im Einzelnen darlegen, welche Gesichtspunkte für und gegen den Abschluss sprechen und alle Bedenken, Unsicherheitsfaktoren und die sich für den Mandanten aus dem Vergleich ergebenden Folgen erörtern.
2. Macht der Arbeitnehmer seinem Rechtsanwalt zum Vorwurf, er habe in einem Kündigungsschutzprozess zu einem nachteiligen Vergleich geraten, so hat der Rechtsanwalt im Regressprozess vorzutragen, dass er den Mandanten über die Darlegungslast des Arbeitgebers zur betriebsbedingten Kündigung belehrt und im Hinblick auf die berechtigte Kündigung den Vergleich als dem Mandanten vorteilhafte Alternative empfohlen habe.
3. Die Kausalität des anwaltlichen Beratungsdefizits für den Schaden des Mandanten ist nicht feststellbar, wenn der Vergleichsabschluss als interessengerechte Handlungsalternative zu betrachten ist.
Normenkette
BGB §§ 611, 675, 280, 779; KSchG § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Krefeld (Aktenzeichen 2 O 234/09) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich Stellung zu nehmen.
2. Der für den 7.9.2010 geplante Senatstermin entfällt.
Gründe
Das Rechtsmittel der Klägerin hat keine Erfolgsaussicht, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine der Klägerin günstigere Entscheidung.
I.1. Zwar dürfte dem Beklagten die Verletzung einer Beratungspflicht anzulasten sein, weil er die Klägerin nicht hinreichend über die Tatsache belehrt hat, dass den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrunds nach § 1 KSchG trifft (dazu im Folgenden unter a). Es lässt sich aber nicht feststellen, dass die Verletzung dieser Pflicht kausal für einen Schaden der Klägerin geworden ist (dazu unter b).
a) Die von dem Rechtsanwalt geschuldete Beratung soll die eigenverantwortliche sachgerechte Entscheidung des Mandanten über Art, Inhalt und Umfang der Verfolgung seiner Rechte und Interessen in der Angelegenheit ermöglichen, in der er den anwaltlichen Vertreter mit der Wahrnehmung seiner Belange betraut hat. Der Mandant - und nicht sein anwaltlicher Vertreter - soll aufgrund der Beratung entscheiden bzw. entscheiden können, ob er ein Recht geltend machen, ob und mit welchem Inhalt er rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben oder Verträge eingehen will (BGH NJW-RR 2000, 791; NJW 1996, 2648, 2649; NJW 1995, 449, 450).
Angesichts dieser Zielsetzung seiner Tätigkeit ist der um Rat gebetene anwaltliche Vertreter seinem Auftraggeber zur umfassenden und erschöpfenden Belehrung verpflichtet, sofern dieser nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf. Der Anwalt muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt daraufhin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel führen können, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann; Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Anwalt darlegen und mit seinem Mandanten erörtern (vgl. u.a. BGH WM 1993, 610, 613 f.; NJW 1994, 1211, 1212; 2007, 2485; 1995, 449, 450 NJW-RR 2005, 494). Er muss seinen Auftraggeber nicht nur über das Vorhandensein, sondern auch über das ungefähre, in etwa abschätzbare Ausmaß des Risikos unterrichten, weil der Mandant in der Regel nur aufgrund einer Einschätzung auch des Risikoumfangs über sein weiteres Vorgehen entscheiden kann (BGHZ 89, 178, 182; 97, 372, 376; NJW 2007, 2485; 1991, 2079). Ist die Sach- oder Rechtslage unklar, muss der Rechtsanwalt dies ggü. dem Mandanten offenlegen und diesen sorgfältig darüber unterrichten, welche Gesichtspunkte für die eine und welche für die andere Interpretation sprechen und welche Rechtsfolgen sich daraus jeweils ergeben. Der Rechtsanwalt muss den Mandanten insoweit umfassend informieren. Eine einseitige Unterrichtung kann zu einer Fehleinschätzung der Lage durch den Mandanten führen und birgt insoweit die Gefahr, dass dieser eine der objektiven Lage nicht entsprechende Entscheidung trifft. Der Sinn der Mandatierung eines rechtskundigen und erfahrenen Rechtsanwalts besteht gerade darin, Fehleinschätzungen und -entscheidungen des Mandanten zu vermeiden (BGH NJW-RR 2000, 791 vgl. auch OLG Düsseldorf MDR 2010, 769 und bei JURIS.
Der Rechtsanwalt, der in Vergleichsverhandlungen eingeschaltet ist, muss demnach den Mandanten auf Vor- und Nachteile des beabsichtigten Vergleichs hinweisen (BGH NJW 2...