Leitsatz (amtlich)
1. Wenn das Mitglied einer Arbeitnehmervereinigung bei dieser um Rechtsschutz nachsucht, kommt ein Rechtsberatungsvertrag regelmäßig mit der Arbeitnehmervereinigung selbst und nicht mit dem für diese tätigen Verbandsvertreter zustande.
2. Bei einer fehlerhaften Tätigkeit haftet die Arbeitnehmervereinigung nach vertragsrechtlichen Grundsätzen, ähnlich einem Anwalt, weil für Vereinigungen, die sich mit Rechtsberatung und Rechtsbesorgung befassen, grundsätzlich die gleichen Sorgfaltsanforderungen wie für einen Rechtsanwalt gelten.
3. Der Verbandsvertreter der Arbeitnehmervereinigung, der in Vergleichsverhandlungen eingeschaltet bzw. am Vergleichsschluss beteiligt ist, muss den Mandanten auf Vor- und Nachteile des beabsichtigten Vergleichs hinweisen.
4. Die Regeln des Anscheinsbeweises für ein beratungsgerechtes Verhalten des Mandanten sind nur anwendbar, wenn nicht unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verschiedene Verhaltensweisen ernsthaft in Betracht kommen.
Normenkette
ArbGG § 11; BGB §§ 675, 611, 280
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 25.02.2011; Aktenzeichen 22 O 43/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.2.2011 verkündete Urteil der 22. Zivilkammer des LG Düsseldorf wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 13.860 EUR.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat offensichtlich keinen Erfolg. Der Klägerin steht weder gegen den Beklagten zu 1. noch gegen die Beklagte zu 2. ein Schadensersatzanspruch nach §§ 611, 675, 276, 280 Abs. 1 BGB zu.
A. Zur Begründung verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 17.10.2011. Hierin hat der Senat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
I.1. Das LG hat die Klage gegen den Beklagten zu 1. zu Recht mangels Passivlegitimation abgewiesen. Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 1. ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung eines Rechtsberatungsvertrages nach §§ 611, 675, 276, 280 Abs. 1 BGB von vornherein nicht zu, weil ein solcher Vertrag zwischen ihr und dem Beklagten zu 1. nicht zustande gekommen ist.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass in dem Fall, in dem das Mitglied einer Arbeitnehmervereinigung bei dieser um Rechtsschutz nachsucht, ein Rechtsberatungsvertrag regelmäßig mit der Arbeitnehmervereinigung selbst und nicht mit dem für diese tätigen Verbandsvertreter i.S.v. § 11 ArbGG zustande kommt (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 19.3.2002 - 24 U 104/01, OLGR 2002, 251; Beschl. v. 2.2.2004 - I-24 U 171/03, OLGR 2004, 203). In den meisten Fällen fehlt es bereits an einem nach außen hervorgetretenen Willen des Rechtssuchenden, mit dem Verbandsvertreter persönlich einen Vertrag zu schließen. Regelmäßig möchte dieser nämlich nur die Leistungen in Anspruch nehmen, auf die er nach der Satzung seiner Gewerkschaft einen Anspruch hat. Wie dem Senat aus anderen Verfahren berannt ist, ergibt sich aus § 12 Ziff. 5 der Satzung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, deren Mitglied die Klägerin ist, dass der Rechtsschutz vorrangig durch den Bezirksverband gewährt wird. Dessen mit der Rechtsberatung beauftragte Mitarbeiter sind zur Prozessvertretung von Mitgliedern vor den ArbG befugt (§ 12 Ziff. 8 der Satzung; vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.2.2004 - 24 U 171/03, OLGR 2004, 203).
Zwar hat die Gewerkschaft der Klägerin im vorliegenden Fall die Prozessvertretung nicht durch eigene Mitarbeiter vorgenommen, sondern ihr Mitglied deswegen an die Beklagte zu 2. verwiesen. Dies besagt jedoch allenfalls, dass abweichend von dem in der Satzung vorgesehenen Verfahren nun die Beklagte zu 2. anstelle der IG Vertragspartnerin der Klägerin werden sollte. Dies wiederum beruht auf der Satzung der Beklagten zu 2., nach der sich - senatsbekannt - die Einzelgewerkschaften der Rechtsberatung und -vertretung der Beklagten zu 2. bedienen dürfen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.2.2004 - 24 U 171/03, OLGR 2004, 203).
Für einen zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1. bestehenden Rechtsberatungsvertrag sprechen weder § 11 Abs. 1 ArbGG noch die dem Beklagten zu 1. erteilten Prozessvollmachten bzw. dessen namentliche Erwähnung in den Prozessvollmachten. § 11 Abs. 1 ArbGG verleiht Verbandsvertretern sowie den Angestellten von verbandseigenen Rechtsberatungsgesellschaften Postulationsfähigkeit. Aber erst die darüber hinaus erforderliche Prozessvollmacht macht die Erklärungen des Vertreters für die Prozesspartei verbindlich (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.2.2004 - 24 U 171/03, OLGR 2004, 203). Der Erteilung einer Prozessvollmacht für den Verbandsvertreter kommt deshalb keine entscheidende Bedeutung zu (Senat, a.a.O.). Das gilt auch im Streitfall. Die namentliche Erwähnung des Beklagten zu 1. in den von der Klägerin unterschriebenen Prozessvollmachten sollte diesen nur in die Lage versetzen soll, sich vor Gericht zu legitimieren sowie dort wirksam Erklärungen für die Klägerin abzugeben und entgegenzunehmen.
Dafür, dass im vorliegenden Fall - abweichend von der oben beschriebenen Regel - die Klägerin den Willen geäußert hätte, ...