Leitsatz (amtlich)
Der Ersatzpflichtige gibt in den Fällen, in denen der Geschädigte sein Fahrzeug reparieren darf, obwohl der Reparaturaufwand den Wiederbeschaffungswert übersteigt, auch dann Veranlassung zur Klage, wenn er nach Vorlage der Rechnung die Zahlung vor Ablauf der 6-Monatsfrist verweigert.
Normenkette
ZPO § 93
Verfahrensgang
LG Kleve (Beschluss vom 09.07.2008; Aktenzeichen 2 O 24/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird die Kostenentscheidung der 2. Zivilkammer des LG Kleve in dem am 9.7.2008 verkündeten Anerkenntnisurteil dahin abgeändert, dass die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt werden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
Gründe
Das gem. § 99 Abs. 2 S. 1 ZPO zulässige Rechtsmittel des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Die Kosten des durch Anerkenntnisurteil in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits haben die in dem Rechtsstreit unterlegenen Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen. Die Voraussetzungen des § 93 ZPO, nach dem bei einem sofortigen Anerkenntnis der Forderung die Kosten dem Kläger zur Last fallen, sind nicht erfüllt, weil die Beklagten jedenfalls durch ihr Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben haben. Die Beklagten waren nämlich schon vor Einreichung der Klage, spätestens nach der Reparatur des beschädigten Fahrzeugs, zur Erstattung des vollständigen - über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegenden - Reparaturkostenbetrages verpflichtet. Entgegen dem LG, das sich auf den Beschluss des Senats vom 3.3.2008 (1 W 6/08) gestützt hat, war die Gesamtforderung nicht erst 6 Monate nach dem Unfallereignis vom 16.11.2007 fällig.
Im Einzelnen ist hier noch folgendes auszuführen:
Zutreffend ist zunächst, dass auch in Fällen der vorliegenden Art, nämlich wenn die erforderlichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert (bis zur sog. 130 Prozentgrenze) übersteigen, trotz konkreter Abrechnung aufgrund einer in einer Fachwerkstatt erfolgten vollständigen und fachgerechten Reparatur, die Erstattung des höheren (den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigenden) Reparaturaufwandes allein durch ein Integritätsinteresse am Behalten des vertrauten Fahrzeuges gerechtfertigt sein kann, welches regelmäßig durch die Weiternutzung des Fahrzeuges von 6 Monaten nachgewiesen werden kann (BGH NJW 2008, 2183 u.a. unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.2008 - I-1 W 6/08, Eggert/Ernst, Verkehrsrecht aktuell 2008, 28).
Ob indes die über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegende (berechtigte) Reparaturkostenforderung bereits im Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung bzw. der Reparatur des Fahrzeuges oder erst nach dem Ablauf der 6 Monate bzw. dem sonstigen Nachweis des Integritätsinteresses fällig sein sollte, war bis zu der Entscheidung des BGH vom 18.11.2008 (VI ZB 22/08) umstritten. Der Senat hatte bislang - ebenso wie das LG in der angefochtenen Entscheidung - die Auffassung vertreten, dass der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer den den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigenden Teil der Schadenersatzforderung solange zurückhalten dürfe, bis der Geschädigte sein Integritätsinteresse nachgewiesen habe. Er hatte sich in dieser Sicht u.a. durch das Urteil des BGH vom 23.5.2006 (VI ZR 192/05) gestützt gesehen, in dem u.a. ausgeführt worden ist, dass zu berücksichtigen sei, dass eine längere Frist (als 6 Monate) für die Möglichkeit einer Abrechnung mit Abzug des Restwerts den Schädiger und seinen Versicherer begünstigen bzw. zur Verzögerung der Abrechnung veranlassen könnte und von daher dem Geschädigten nicht zumutbar wäre (vgl. hierzu auch Heß/Burmann, NJW-Spezial 2007, 207).
Indes hat der BGH nunmehr in der bereits zitierten Entscheidung vom 18.11.2008 entschieden, dass er der 6 Monatsfrist keineswegs eine Bedeutung hinsichtlich der Fälligkeit des Anspruchs habe zumessen wollen; die Frist habe lediglich beweismäßige Bedeutung.
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist vorliegend die Gesamtforderung des Klägers jedenfalls mit der Durchführung der Reparatur (Rechnung vom 10.12.2007) fällig geworden. Da sich die Beklagten geweigert haben, die insoweit unstreitig angefallenen Reparaturkosten des vollständig und fachgerecht reparierten Fahrzeugs vor Ablauf von 6 Monaten nach dem Unfall zu regulieren, haben sie dem Kläger Veranlassung zu der am 22.1.2008 eingereichten Klage gegeben. Die Voraussetzungen des § 93 ZPO liegen damit nicht vor. Die Beklagten haben also als Unterlegene die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Entsprechend war der Beschluss des LG abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 ZPO.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 2.500 EUR festgesetzt.
Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Fundstellen
MDR 2009, 562 |
OLGR-Mitte 2009, 534 |