Leitsatz (amtlich)

1. Wenn die Ehefrau des Mieters einen Formularmietvertrag ohne weitere Erläuterungen als "selbstschuldnerische Bürgin" mitunterschreibt, bleibt die verbürgte Hauptschuld unklar, da nicht hinreichend deutlich wird, in welchem Umfang sie für die diversen vom Mieter übernommenen Verpflichtungen haften will und soll.

2. Wird die Mietdauer dadurch verlängert, dass der Mieter ein ihm eingeräumtes Optionsrecht ausübt, haftet sein Bürge nicht für Verbindlichkeiten, die aus der Verlängerung der Mietzeit resultieren.

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Beschluss vom 11.12.2015; Aktenzeichen 1 O 220/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Duisburg vom 11.12.2015 aufgehoben und die Sache an das LG mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass die beantragte Prozesskostenhilfe nicht wegen mangelnder Aussicht der Rechtsverteidigung auf Erfolg zurückgewiesen werden kann.

Dem LG wird aufgegeben, über den Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig und begründet.

I. Entgegen der vom LG vertretenen Auffassung hat die von der Beklagten beabsichtigte Rechtsverteidigung nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand im Sinne von § 114 S. 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Klägerin kann die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht auf der Grundlage von §§ 765 Abs. 1, 767 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den mietvertraglichen Bestimmungen auf Begleichung der Klageforderung in Anspruch nehmen.

1. Zweifeln unterliegt bereits, ob sich die Beklagte durch ihre Unterschrift über dem Text

"selbstschuldnerische Bürgin Ehefrau"

unterhalb der Unterschrift ihres inzwischen verstorbenen Ehemannes Manuel Kapelski auf der Mietvertragsurkunde vom 20.3.1997 im Sinne von §§ 765 Abs. 1, 766 S. 1, 126 Abs. 1 BGB wirksam verbürgt hat.

Denn ist - wie durch § 766 S. 1 BGB - durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, muss die von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnete Urkunde nach § 126 Abs. 1 BGB das gesamte formbedürftige Rechtsgeschäft enthalten. Welchen Mindestinhalt die Urkunde haben muss, ist der jeweils maßgebenden Formvorschrift unter Berücksichtigung von deren Zweck zu entnehmen, hier also der Vorschrift des § 766 BGB.

Das Schriftformerfordernis für die Bürgschaftserklärung bezweckt die Warnung des Bürgen vor der mit der Bürgschaft verbundenen strengen Haftung. Der Warnfunktion wird nicht schon dadurch genügt, dass der Bürge überhaupt ein Schriftstück unterzeichnet, aus dem sich sein Verbürgungswille ergibt. Vielmehr ist das zu übernehmende Risiko in der Urkunde zu bezeichnen und einzugrenzen und so dem Bürgen bei Abgabe der Bürgschaftserklärung vor Augen zu führen. Der Bundesgerichtshof fordert deshalb in ständiger Rechtsprechung neben der Erklärung des Willens, für eine fremde Schuld einzustehen, auch die Bezeichnung des Gläubigers, der verbürgten Hauptschuld und damit des Hauptschuldners (BGH, Urteil vom 2.2.1989, Az. IX ZR 99/88, zitiert nach juris, Rdnr. 15-17 m.w.Nachw.). Verbleibende Unklarheiten gehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zulasten des Gläubigers (vgl. BGH, Urteil vom 1.7.2003, Az. XI ZR 363/02, zitiert nach juris, Rdnr. 17).

Ob das vorliegende Vertragsformular diesen Anforderungen gerecht wird, unterliegt berechtigten Zweifeln. Denn tatsächlich ist unklar, in welchem Umfang die Beklagte für die diversen von ihrem verstorbenen Ehemann mietvertraglich übernommenen Verpflichtungen haften will und soll.

2. Diese Rechtsfrage bedarf indes keiner abschließenden Klärung. Denn jedenfalls vermag sich die Beklagte hinsichtlich der Klageforderung auf die Regelung des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB zu berufen.

Gemäß § 767 Abs. 1 S. 3 BGB wird die Verpflichtung des Bürgen durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, nicht erweitert.

a) Streitgegenständlich sind hier ausschließlich solche Forderungen, die erst nach Ablauf des in § 2 Nr. 1 des Mietvertrages ursprünglich vereinbarten Vertragsendes zum 15.4.2007 und nach Ausübung der vertraglich vereinbarten Verlängerungsoption entstanden sind.

Ausweislich § 2 Nr. 1 des streitgegenständlichen Mietvertrages vom 20.3.1997 (Bl. 13 ff. d. GA) begann das Mietverhältnis am 16.4.1997 und lief über einen Zeitraum von 10 Jahren, also bis einschließlich 15.4.2007.

Gemäß § 2 Nr. 2 des Mietvertrages hatte der Mieter die Option zur Fortführung des Mietvertrages um jeweils fünf Jahre. Diese Option sollte nach der mietvertraglichen Regelung in § 2 Nr. 2 S. 2 wirksam werden, "wenn der Mieter diese spätestens 6 Monate vor Beendigung der laufenden Vertragszeit schriftlich dem B. gegenüber erklärt" (vgl. Bl. 13d. GA). Die Ausübung der vertraglich eingeräumten Option erfolgt...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?