Leitsatz (amtlich)
Bei einer Beratungshilfetätigkeit für die Scheidung und deren Folgen ist auch dann gebührenrechtlich von verschiedenen Angelegenheiten auszugehen, wenn diese später im gerichtlichen Verbundverfahren geltend zu machen wären; § 16 Nr. 4 RVG ist nicht analog anwendbar.
Normenkette
RVG §§ 44, 16 Nr. 4; RVG-VV Nr. 2503
Verfahrensgang
LG Krefeld (Beschluss vom 14.07.2008; Aktenzeichen 6 T 79/08) |
AG Kempen (Aktenzeichen 18a II 16/06) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 4.8.2008 wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Krefeld vom 14.7.2008 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 9.5.2008 wird der Beschluss des AG Kempen vom 25.4.2008 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Auf die Erinnerung des Antragstellers wird der Beschluss des AG Kempen - Rechtspflegerin - vom 22.1.2007 aufgehoben und die dem Antragsteller im Rahmen der Beratungshilfe für die Angelegenheit Zugewinn aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung gemäß Antrag vom 5.1.2007 auf 97,44 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der von dem Antragsteller vertretenen Mandantin wurde unter dem 22.2.2006 ein Berechtigungsschein für Beratungshilfe für die Angelegenheit "Scheidung und Folgesachen" erteilt (Bl. 16 GA). Für die Bereiche Hausrat, Unterhalt und Ehescheidung hatte der Antragsteller bereits die Festsetzung von Gebühren i.H.v. jeweils 97,44 EUR begehrt. Es wurden jedoch nur einmalig 97,44 EUR festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung blieb erfolglos, die dagegen eingelegte Beschwerde wurde wegen Nichterreichen des Beschwerdewertes zurückgenommen.
Mit Antrag vom 5.1.2007 (Bl. 90 GA) begehrt der Antragsteller die Festsetzung von Gebühren für Beratungshilfe für den Bereich Zugewinn. Der Antrag wurde durch Beschluss des AG Kempen - Rechtspflegerin - vom 22.1.2007 (Bl. 93 GA) zurückgewiesen und ebenfalls die hiergegen eingelegte Erinnerung durch Beschluss des AG Kempen vom 25.4.2008 (Bl. 132 ff. GA) sowie die hiergegen eingelegte - zugelassene - Beschwerde vom 9.5.2008 (Bl. 135 ff. GA) durch Beschluss des LG Krefeld vom 14.7.2008 (Bl. 150 ff. GA).
Gegen diesen ihm am 21.7.2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 4.8.2008 die ausdrücklich zugelassene weitere Beschwerde eingelegt.
II. Die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 4.8.2008 gegen den Beschluss des LG Krefeld vom 14.7.2008 ist kraft Zulassung gem. §§ 55 Abs. 4, 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 RVG statthaft und zulässig. Sie erweist sich als begründet. Der angefochtene Beschluss des LG Krefeld beruht auf einer Verletzung des Rechts, da § 16 Nr. 4 RVG nicht ausreichend berücksichtigt worden ist.
Dem Antragsteller steht für die Beratung in der Angelegenheit Zugewinn eine weitere Vergütung nach § 2 Abs. 2 RVG in Verbindung mit RVG VV-Nr. 2503 nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer i.H.v. EUR 97,44 zu.
Das Beratungshilfegesetz sieht Beratungshilfe in "Angelegenheiten" vor, vgl. §§ 2 Abs. 2, 6 BerHG. Nach § 44 RVG wird eine Vergütung für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe nach dem RVG gewährt. Da sich die Tätigkeit der Beratungshilfe auf die "Angelegenheit" bezieht, spricht vieles dafür, auch die Vergütung auf die "Angelegenheit" auszurichten.
Der Begriff der Angelegenheit ist im Beratungshilfegesetz nicht näher geregelt, so dass auf die Vorschriften des RVG zurückzugreifen ist, insbesondere §§ 15 ff. RVG. Dort ist bestimmt, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann, § 15 Abs. 2 RVG. Eine Angelegenheit kann insoweit auch mehrere Gegenstände umfassen. Entscheidend für das Vorliegen einer Angelegenheit ist, ob ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben ist (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 18. Aufl., § 15 Rz. 7 ff.).
Dies ist im Hinblick auf die hier fraglichen außergerichtlichen Scheidungs- und Folgesachen zu verneinen. Der Senat hält insoweit an seiner zu § 7 Abs. 3 BRAGO ergangenen Rechtsprechung (Beschl. v. 7.10.1985 - 10 WF 192/85, MDR 1986, 157) fest. Danach genügt es weder bei Trennungs- noch bei Scheidungsfolgesachen, dass die verschiedenen Folgen ihren gemeinsamen Grund in der Trennung bzw. der Scheidung der Eheleute haben. Bereits die Existenz des § 7 Abs. 3 BRAGO zeigte, dass es einer Norm bedurfte, um bei einem gerichtlichen Scheidungsverbund das Gesamtverfahren kostenrechtlich als Einheit zu behandeln. Dies wiederum indiziert, dass es sich der Sache nach bei allen Folgeverfahren trotz der gemeinsamen Ursache der Scheidung um selbständige Angelegenheiten handelt. An dieser Betrachtungsweise hat die nunmehr maßgebliche Norm des § 16 Nr. 4 RVG nichts geändert. Auch hier wird für die Scheidungssache und die Folgesachen bestimmt, dass diese im Falle gerichtlicher Geltendmachung im Verbund gebührenrechtlich als dieselbe Angelegenheit im Sinne des RVG gelten. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn der Gesetzgeber bei Schaffung des § 16 Nr. 4 RVG von der bis dato streitigen Ansicht ausgegangen wäre, das Vorliegen eine...