Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird die Entscheidung der Vergabekammer Rheinland vom 17. Februar 2022 (VK 40/21 - L) teilweise aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, die Wertung der Angebote nach erneuter Prüfung der Eignung der Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer fallen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin je zur Hälfte zur Last, ihre notwendigen Auslagen tragen die Verfahrensbeteiligten selbst.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 6. August 2021 im offenen Verfahren einen Vertrag über die Sammlung und Verwertung von Alttextilien und Altschuhen aus Kommunen des Kreis X. im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2024 mit der Möglichkeit einer dreimaligen Verlängerung um jeweils ein Jahr EU-weit aus (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer ...). Der Auftrag war in 2 Gebietslose aufgeteilt, von denen Los 1 die linksrheinischen und Los 2 die rechtsrheinischen Städte und Gemeinden im Kreisgebiet erfasste.

Einziges Zuschlagskriterium war der Preis (Ziffer II.2.5 der Bekanntmachung), wobei nach Ziffer 5 der Bewerbungsbedingungen in Verbindung mit § 7 des Vertragsentwurfs der höchste Preis das wirtschaftlichste Angebot darstellte, da es sich um ein vom Auftragnehmer an den öffentlichen Auftraggeber zu zahlendes Entgelt für die Überlassung der Alttextilien und Altschuhen handelte. Nach Ziffer III.1.3 der Bekanntmachung, Technische und berufliche Leistungsfähigkeit, musste der Bieter bei Ablauf der Angebotsfrist über einen gültigen Nachweis der Anerkennung als Entsorgungsfachbetrieb (§ 56 KrWG) für die zu vergebenen Leistungen und über mindestens zwei Referenzen seit 01/2018 über die Erbringung von vergleichbaren Leistungen verfügen; bei Angebotsabgabe auf beide Lose waren drei entsprechende Referenzen gefordert. Dabei waren Leistungen als vergleichbar definiert, bei denen der Bieter zumindest eine Jahresmenge Alttextil (inkl. Altschuhe) in Höhe von 500 Mg (Megagramm = Tonnen) pro Jahr übernommen, sortiert und verwertet hat, wobei die Leistungen zum Zeitpunkt des Ablaufs der Angebotsfrist für zumindest zwölf Monate für einen kommunalen Auftraggeber erbracht worden sein mussten.

Außer der Antragstellerin und der Beigeladenen reichten noch drei weitere Bieter fristgerecht Angebote für beide Lose ein, von denen allerdings zwei mangels Eignung ausgeschlossen wurden. Das Angebot der Antragstellerin für Los 1 war das drittplatzierte, während ihr Angebot bei Los 2 auf dem zweiten Platz lag. Mit Schreiben vom 16. September 2021 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin nach § 134 GWB, dass ihre Angebote nicht für den Zuschlag in Betracht kämen, da sie nicht die wirtschaftlichsten seien; es sei beabsichtigt, für beide Losen den Zuschlag jeweils auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

Mit Schreiben vom 22. September 2021 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagserteilung. Nach ihrem Kenntnisstand, der nicht zuletzt auf einer Online-recherche beruhe, sei die Zuschlagsprätendentin zwar im Bereich der Sammlung von Alttextilien tätig, deren Sortierung gehöre jedoch nicht zu ihrem Leistungsportfolio. Die nachzuweisenden Referenzen müssten sich jedoch auch auf die Sortierung beziehen, was bei der Zuschlagsprätendentin, die nach ihrem Kenntnisstand über entsprechende Sortieranlagen- und -kapazitäten nicht verfüge, nicht erfüllt sei. Überdies sei ein Verstoß gegen § 60 VgV zu rügen. Sie die Antragstellerin hätte bereits sehr günstig kalkuliert verfüge als der Bestandsbieter über die notwendigen Standorte und Fahrzeuge.

Diese Rüge wies die Antragsgegnerin mit Anwaltsschreiben vom 24. September 2021 zurück. Die Zuschlagsprätendentin habe die geforderten Referenzen eingereicht und die formale Eignung damit belegt. Eine vollständig eigenständige Erbringung sei nicht gefordert gewesen. Sofern also beispielsweise ein Bieter bei der Auftragsabwicklung der Referenzprojekte verbundene Unternehmen oder Nachunternehmer einsetze, stehe dies der Wertung der Referenz nicht entgegen. Hinsichtlich des Preises sei die vergaberechtliche Aufgreifschwelle nicht überschritten, gleichwohl habe sie entsprechende Auskünfte bei der Beigeladenen eingeholt.

Am 27. September 2021 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zu dessen Begründung sie die vorstehenden Rügen wiederholte und vertiefte. Da die Referenzaufträge die Übernahme, Sortierung und Verwertung der Alttextilien umfassen müssten, sei erforderlich, dass der Bieter entweder selbst sortiere oder sich auf eine Eignungsleihe berufe. Zweck der Abfrage von Referenzen sei es, dass sich der Auftraggeber darüber vergewissern könne, ob der Bieter vergleichbare Leistungen bereits erfolgreich erbracht habe und daher Gewähr für die zufriedenstellende Erledigun...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge