Leitsatz (amtlich)
Der Tatrichter darf einen Entbindungsantrag (§ 73 Abs. 2 OWiG) ablehnen, wenn die Anwesenheit des Betroffenen ausgehend von seinen, in Einklang mit § 261 StPO stehenden Erwägungen im Sinne des § 73 Abs. 2 OWiG erforderlich ist.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Der Kreis Wesel hat mit Bußgeldbescheid vom 23. Januar 2017 gegen den Betroffenen wegen der verbotswidrigen Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons als Führer eines Kraftfahrzeugs eine Geldbuße von 80 EUR festgesetzt. Den dagegen gerichteten Einspruch hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen, nachdem der Betroffene zur Hauptverhandlung nicht erschienen ist. Einen vor und einen durch seinen mit besonderer Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger im Hauptverhandlungstermin gestellten Antrag, ihn von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, hat das Amtsgericht abgelehnt. Zur Begründung der Anträge hat der Verteidiger des Betroffenen jeweils ausgeführt, der Betroffene räume ein, der kontrollierte Fahrzeugführer gewesen zu sein, und werde im Übrigen keine weiteren Angaben zur Sache machen. Das Amtsgericht hat seine ablehnende Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass es sich von dem Erscheinen des Betroffenen erhoffe, dass sich der als Zeuge geladene Polizeibeamte vor dem Hintergrund der ihm durch den Betroffenen am Tattag gemachten Angabe, das Handy liege schon die ganze Zeit zwischen seinen Beinen, anhand dessen äußerlicher Erscheinung genauer an das Ereignis werde erinnern könne.
II.
Der zulässig gestellte Antrag ist nicht begründet.
Ist durch das angefochtene Urteil eine Geldbuße von nicht mehr als 100 Euro und auch keine Nebenfolge verhängt, wird die Rechtsbeschwerde nur zugelassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des sachlichen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
1.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht bereits zur Ermöglichung der Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf das Vorliegen einer Gehörsverletzung zuzulassen, sondern erst dann, wenn die Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts auf Grund der Antragsbegründung eine solche ergeben hat (BVerfG NJW 1992, 2811, 2812). Eine Gehörsverletzung deckt die Antragsbegründung indes nicht auf.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbinden müssen. Insbesondere hat es sich bei dieser Entscheidung auch nicht um eine Entscheidung auf Grundlage vermeintlich bestehenden Ermessens gehandelt, das dem Amtsgericht, wie der Betroffene unter Hinweis auf die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Frankfurt (NZV 2011, 561) und Hamm (DAR 2016, 595) zutreffend ausführt, nicht zugestanden hätte. Vielmehr hat das Amtsgericht aufgrund einer Prognose zur Dienlichkeit der Anwesenheit des Betroffenen für die durchzuführende Beweisaufnahme entschieden, die ihm auch zustand.
a)
Soweit die Entscheidung über einen Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung wie hier von der Frage abhängt, ob dessen Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts erforderlich ist (§ 73 Abs. 2 OWiG), muss der Tatrichter notwendigerweise eine Prognose über den zu erwartenden Verlauf der Beweisaufnahme mit und ohne Anwesenheit des Betroffenen anstellen. Nur auf Grundlage dieser Gegenüberstellung, deren schriftliche Niederlegung regelmäßig entbehrlich sein dürfte, weil eine hinreichend klare Begründung - teils schon wegen des auf der Hand liegenden Ergebnisses - auch ohne eine solche explizite Gegenüberstellung möglich sein wird, kann der Tatrichter seine Entscheidung treffen, ob er auf der Anwesenheit des Betroffenen bestehen muss.
Die Nachprüfung der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen durch den Senat findet ihre Grenze in dem auch im Bußgeldverfahren Geltung beanspruchenden strafprozessualen Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§§ 261 StPO, 71 Abs. 1 OWiG). Danach entscheidet der Tatrichter aufgrund der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. An gesetzliche Beweisregeln ist er nicht gebunden, wohl aber an wissenschaftliche Erkenntnisse, Gesetze der Logik und Erfahrungssätze. Die tatrichterliche Überzeugung darf das Rechtsmittelgericht nur dahingehend überprüfen, ob die Erwägungen des Tatrichters ausgehend davon nachvollziehbar sind und insbesondere keine Widersprüchen, Unklarheiten, Lücken und Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Lebenserfahrungen aufweisen (BGH NStZ-RR 2008, 146, 147).
Diese Grenzen hat das Rechtsbeschwerdegericht auch bei der Nachprüfung der Anwendung des § 73 Abs. 2 OWiG zu beachten. Nur wenn auf Grundlage der dem Amtsgericht im Rahmen freier Beweiswürdigung zustehenden Erwägungen die Anwesenheit des Betroffenen nich...