Verfahrensgang
AG Ratingen (Entscheidung vom 20.10.2021; Aktenzeichen 24 OWi 14/21) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Ratingen vom 20. Oktober 2021 (24 OWi 14/21) wird zugelassen.
Auf die Rechtsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Ratingen zurückverwiesen.
Gründe
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, da es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.
Die zulässig erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist begründet und hat (vorläufig) Erfolg.
Rechtsfehlerhaft hat das Amtsgericht die Voraussetzungen für ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG bejaht, da es fehlerhaft über den vom Verteidiger rechtzeitig und wirksam gestellten Entbindungsantrag entschieden hat und infolge der Verwerfung des Einspruchs die Einlassung des Betroffenen zur Sache unberücksichtigt geblieben ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in ihrer Antragsschrift vom 11. Januar 2022 überzeugend ausgeführt:
"Nach § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich innerhalb der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde und außerdem seine Anwesenheit zu Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Die Entscheidung über den Entbindungsantrag steht hierbei nicht im Ermessen des Gerichts, vielmehr ist es verpflichtet, dem Antrag nachzukommen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 1. Februar 2017, IV-3 RBs 21/17 und vom 22. Dezember 2014 - IV-2 RBs 165/14).
Der Betroffene hat über seinen Verteidiger seine Fahrereigenschaft eingeräumt und zugleich erklärt, weitere Angaben werden nicht erfolgen. Bei dieser Sachlage wäre die Anwesenheit des Betroffenen für eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich gewesen.
Für die Beantwortung der Frage des Vorliegens der Erforderlichkeit der Anwesenheit des Betroffenen für die weitere Sachaufklärung steht dem Tatrichter zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Die Entscheidung des Tatrichters ist danach unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur dann zu beanstanden, wenn das Erscheinen nicht zur Aufklärung des Sachverhaltes dient und nicht unerlässlich ist (Seitz/Bauer, in: Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 73 Rn. 16). Die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Betroffenen ist regelmäßig nicht für die Beurteilung des Sachverhaltes erforderlich, weshalb diese Erwägung auch nicht die Ablehnung eines Entbindungsantrages zu rechtfertigen vermag (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2017 - IV-2 RBs 21/17). Dem den Entbindungsantrag ablehnenden Beschluss vom 20. Oktober 2021, wie auch den Urteilsgründen, sind überdies keine rechtlichen Überlegungen des Amtsgerichts zu entnehmen, nach denen es abweichend davon auf den persönlichen Eindruck vom Betroffenen ankommen könnte. Auch der Umstand, dass der Betroffene zur Tatzeit Heranwachsender war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Heranwachsende werden im Bußgeldverfahren sanktionsrechtlich wie Erwachsene behandelt (OLG Frankfurt a.M. NZV 2012, 307). Das Gericht hätte daher dem Antrag auf Entbindung nachkommen müssen."
Dem tritt der Senat bei.
Fundstellen
Dokument-Index HI15524026 |