Leitsatz (amtlich)

1. Ein Rechtsanwalt schuldet dem Mandanten eine umfassende und erschöpfende Unterrichtung über den Verlauf eines für diesen geführten Prozesses. Hierzu muss er, sofern Probleme bei der Kontaktaufnahme auftreten, alle ihm bekannten Möglichkeiten ausschöpfen. Hierzu gehört auch die Verwendung einer E-Mail-Adresse.

2. Ein Ausgleichsanspruch aus einem Gesamtschuldverhältnis gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB entsteht mit der Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis, also regelmäßig zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses. Unabhängig von der Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch, der einer einheitlichen Verjährung unterliegt. Die Anspruchsentstehung ist demgemäß nicht an den Zeitpunkt der Zahlung des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners an den Gläubiger geknüpft. Denn mit der Zahlung entsteht kein neuer Anspruch. Vielmehr kann und muss der Ausgleichsanspruch dann nur in anderer Form als zuvor erfüllt werden (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 18. Juni 2009 - VII ZR 167/08, Rn. 14).

3. Kenntnis i.S. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hat der gem. § 426 BGB Ausgleichsberechtigte nur, wenn er Kenntnis von den Umständen hat, die einen Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichsverpflichteten begründen, weiterhin von denjenigen Umständen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn selbst begründen, sowie von denjenigen Umständen, die das Gesamtschuldverhältnis begründen und schließlich von den Um-ständen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - VII ZR 104/14, Rn. 21).

 

Verfahrensgang

LG Krefeld (Aktenzeichen 7 O 121/20)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Der auf den 22. März 2022 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis EUR 246.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen behaupteter defizitärer Beratung im Zusammenhang mit einem Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf (Az. 14e O 172/10) in Anspruch.

Der Kläger sowie die Herren R (im Folgenden: R) und S (im Folgenden: S) waren als Verwaltungsräte der F... AG (im Folgenden: F-AG), Schweiz, tätig. Der Beklagte war Justiziar der F-AG.

Zunächst wurde nur die F-AG, nachfolgend zudem die drei Verwaltungsräte von der S...B... mbH (im Folgenden: SB-mbH) vor dem Landgericht Düsseldorf in dem genannten Prozess auf Zahlung von EUR 376.979,60 nebst Zinsen wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung in Anspruch genommen. Der auch als Rechtsanwalt tätige Beklagte bestellte sich am 25. Januar 2011 für die F-AG und die drei Verwaltungsräte. Während des Verfahrens wurde die F-AG liquidiert, das Konkursverfahren geschlossen und die F-AG im August 2013 gelöscht. Der Rechtsstreit wurde gegen die drei Verwaltungsräte weitergeführt.

Zu Beginn des Verfahrens fanden Besprechungen zwischen dem Beklagten und den drei Verwaltungsräten statt. Im weiteren Verlauf des Verfahrens stand der Beklagte mit den Verwaltungsräten S und R in Kontakt, während der Kontakt zum Kläger aus zwischen den Parteien streitigen Gründen abgebrochen war. Dem Beklagten wurde von S und R mitgeteilt, auch sie hätten keinen Kontakt mehr zum Kläger, welcher offenbar in Südamerika untergetaucht sei.

Auf E-Mail-Nachfrage des Beklagten vom 12. April 2013 an die Adresse "...@..." teilte der Kläger dem Beklagten eine Anschrift, unter der er erreichbar sei, mit "...D..." mit.

Im Oktober 2013 unterbreitete das Landgericht Düsseldorf in dem genannten Verfahren den dortigen Parteien einen Vergleichsvorschlag über eine Zahlung der drei Verwaltungsräte als Gesamtschuldner iHv EUR 125.000,00 (Anl. K3, GA 33-35). Diesen lehnte der Beklagte für die drei Verwaltungsräte ab. Anschließend wurde S als Partei informatorisch angehört, des Weiteren wurden Zeugen vernommen. Mit Hinweisbeschluss vom 30. November 2015 wies das Landgericht Düsseldorf darauf hin, dass es die Klage gegen R und den hiesigen Kläger für begründet, gegenüber dem Verwaltungsrat S jedoch für unbegründet erachte. S schloss daraufhin mit der SB-mbH einen Teilvergleich, welcher mit Beschluss vom 14. August 2017 festgestellt wurde (Anl. K1, GA 24-26). Darin erkannte S die Ansprüche als dem Grunde nach richtig an und verpflichtete sich zur ratenweisen Zahlung von EUR 60.000,00 mit der Möglichkeit, einen Erlass von EUR 15.000,00 bei pünktlicher Zahlung zu erreichen.

Der Rechtsstreit wurde mit dem Kläger und R als verbleibende Verwaltungsräte fortgesetzt und endete mit Urteil vom 17. April 2018. Mit diesem wurden der Kläger und R als Gesamtschuldner verurteilt, an die dortige Klägerin einen Betrag iHv EUR 282.079,60 nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage wurde abgewiesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf dieses Urteil verwiesen (Anl. K5, GA 43-59).

Mit anwaltlichen Schreiben vom 4. J...

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