Leitsatz (amtlich)

›1. § 97 Abs. 7 GWB ist infolge der grundlegenden Bedeutung der Prinzipien der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs für das gesamte Vergaberecht weit auszulegen. Es ist daher eher als eine Ausnahme anzusehen, daß auf die Einhaltung einer "Bestimmung über das Vergabeverfahren" von Seiten der Bieter kein Anspruch besteht.

2. Wenn der öffentliche Auftraggeber einen ausgeschriebenen Auftrag in Lose teilt und in der Aufforderung zur Angebotsabgabe eine Höchstzahl der Teillose bestimmt, für die sich ein Bieter nur bewerben kann (Loslimitierung), ist er an diese Vergabebedingung bei der Vergabeentscheidung selbst gebunden.

3. Die Vergabebedingung der Loslimitierung ist eine (auch) bieterschützende Vergabestimmung (i.S. des § 97 Abs. 7 GWB).

4. Eine Loslimitierung soll in der Regel auch bezwecken, auf einem bestimmten Markt die wirtschaftliche Abhängigkeit des öffentlichen Auftraggebers als Nachfragers von einem Hersteller zu vermeiden und statt dessen eine Vielfalt von Anbietern, die im Wettbewerb zueinander stehen, zu erhalten.

5. Mit Blick auf diesen Zweck ist der Rechtsgedanke, der in § 36 Abs. 2 S. 1 GWB zum Ausdruck kommt, bei der Durchführung der Loslimitierung anzuwenden. Die Vergabebedingung der Loslimitierung wird daher verletzt, wenn mehrere Konzernunternehmen, die als "verbundene Unternehmen" i.S. des § 36 Abs. 2 S. 1 GWB anzusehen sind, bei der Auftragsvergabe als mehrere Unternehmen und nicht als ein an die Loslimitierung gebundenes Unternehmen behandelt werden.

6. Für die Rügeobliegenheit des Bewerbers oder Bieters kommt es auf die Umstände des jeweiligen konkreten einzelnen Vergabeverfahrens an. Die Erkennbarkeit von Verstößen gegen Vergabevorschriften i.S. des § 107 Abs. 3 S. 2 GWB muß die Bekanntmachung oder deren Inhalt selbst betreffen. Die Erkennbarkeit einer Gefahr, daß der Auftraggeber - nach ordnungsgemäßer Bekanntmachung - im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens wiederum einen Vergaberegelverstoß, der ihm schon bei früheren vergleichbaren Vergabeverfahren unterlaufen war, begehen könnten, wird durch § 107 Abs. 3 S. 2 GWB nicht erfaßt. Vielmehr kann der Bewerber oder Bieter mit der Rüge zuwarten, bis er im Vergabeverfahren erkannt hat, daß der Auftraggeber den Vergaberegelverstoß erneut begeht oder begangen hat (§ 107 Abs. 3 S. 1 GWB).

7. Ein Beigeladener, der sich mit eigenen Anträgen am Verfahren vor der Vergabekammer aktiv beteiligt, ist als "unterliegender Beteiligter " i.S. des § 128 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 2 GWB mit den dort angeordneten Kostenfolgen anzusehen, wenn in der Hauptsache entgegen seinen Anträgen entschieden wird.

8. Die Haftung eines Beigeladenen für die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Vergabesenat ist in den §§ 116 ff GWB nicht geregelt. Für die Schließung dieser Lücke ist die Analogie zu den Vorschriften der §§ 154 ff VwGO, insbesondere den §§ 154 Abs. 3, 159 und 162 Abs. 3 VwGO, sachgerecht.‹

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Urteil vom 30.03.2000; Aktenzeichen VK 2 - 2/00)

 

Gründe

I.

Durch Bekanntmachungen im Bundesanzeiger und im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, jeweils vom 01.12.1999, schrieb die Antragsgegnerin die Herstellung und Lieferung von Ein- und Zwei-Euro-Münzplättchen aus. Ferner forderte sie Unternehmen, die bei der 1. Euro-Münzplättchen-Ausschreibung keinen Auftrag erhalten oder sich als Bieter bei der 2. Euro-Münzplättchen-Ausschreibung technisch nicht qualifiziert hatten, zur Abgabe eines Angebots auf.

In dem an alle Bewerber gleichermaßen gerichteten Aufforderungsschreiben führte die Antragsgegnerin u.a. aus, sie benötige voraussichtlich folgende Mengen: Vom Nominal "1 EURO" 25 Lose mit einer Stückzahl von 68,0 Mio. pro Los, also eine Gesamtstückzahl von 1.700 Mio.; vom Nominal "2 EURO" 10 Lose mit einer Stückzahl von 45,6 Mio., also eine Gesamtstückzahl von 45,6 Mio. Anschließend hieß es in. den gleichlautenden Aufforderungsschreiben:

Je Nominal kann sich ein Bieter bei einer Aufteilung in 10 Lose um bis zu 3 Teillose und bei einer Aufteilung in 25 Lose um bis zu 7 Teillose bewerben."

Unter den bis zur Angebotsfrist eingereichten acht Angeboten befand sich auch das Angebot der Antragstellerin vom 07.02.2000 über sieben Lose à 68 Mio. Stück Ein-Euro-Münzplättchen und drei Lose à 45,6 Mio. Stück Zwei-Euro-Münzplättchen. Mit Schreiben vom 14.02.2000 informierte die Antragsgegnerin alle Bieter; sie beabsichtige, die Aufträge zur Herstellung und Lieferung der Euro-Münzplättchen nach dem 25.02 2000 wie folgt zu vergeben:

1 EURO: je sieben Lose an die Firmen K. V. D. N. AG (= Beigeladene zu 1.) und S. (= Beigeladene zu 2.) und vier Lose an die Firma H.-A. (=Beigeladene zu 3.);

2 EURO: je drei Lose an die Firmen K. V., K. und S. (=Beigeladene zu 2.) und ein Los an die Firma D. N. AG (= Beigeladene zu 1.).

Mit Anwaltsschreiben vom 16.02.2000 beanstandete die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin deren Vorhaben, die Aufträge gemäß den Ankündigungen vom 14.02.2000 zu erteilen. In dem Anwaltsschreiben wurde u.a. ausgefüh...

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