Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss vom Vergabeverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verstoß gegen eine Loslimitierung führt grundsätzlich zum Ausschluss des Bieters nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 5, § 16 EU Nr. 2 VOB/A. (Rn. 31)
2. Ein Ausschluss konzernverbundener Unternehmen wegen Verstoßes gegen die Loslimitierung kommt nur dann in Betracht, wenn sich aus dem für jeden Bieter erkennbaren Zweck der Loslimitierung für die Bieter eindeutig gibt, dass konzernverbundene, abhängige Unternehmen als "ein Bieter" im Sinne der konkreten Bekanntmachung anzusehen sind. (Rn. 35)
3. Welchen Zweck der Auftraggeber mit der Loslimitierung tatsächlich verfolgte, kann sich aus dem Vergabevermerk ergeben. (Rn. 40)
4. Selbst die Teilnahme zweier abhängiger Unternehmen an derselben Ausschreibung ist nicht per se unzulässig, sofern nicht ein Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs vorliegt. (Rn. 46)
Normenkette
EU VOB/A § 5 Abs. 2 Nr. 3; EU VOB/A § 13 Abs. 1 Nr. 5; EU VOB/A § 16 Nr. 2; GWB § 36 Abs. 2; GwG § 124 Abs. 1 Nr. 4, § 160 Abs. 2-3, § 172 Abs. 1; EURL 24/2014
Verfahrensgang
Vergabekammer München (Beschluss vom 07.08.2020; Aktenzeichen 3194.Z3-3_01-20-22) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 07.08.2020, Gz. 3194.Z3-3_01-20-22, in den Ziffern 1, 2 und 4 aufgehoben.
2. Der Nachprüfungsantrag und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragsgegners und der Beigeladenen. Sie trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beigeladenen. Der Antragsgegner trägt seine notwendigen Auslagen im Beschwerdeverfahren selbst.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer wird für den Antragsgegner und die Beigeladene für notwendig erklärt.
5. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 230.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner beabsichtigt, für den Neubau des Strafjustizzentrums M. das Gewerk Trockenbauarbeiten im offenen Verfahren, aufgeteilt auf zwei Lose, zu vergeben. In der Bekanntmachung im Supplement des Amtsblatts der EU ist ausgeführt, dass ein Bieter jeweils nur für ein Los ein Angebot abgeben darf. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Unter anderem die Antragstellerin und die Beigeladene gaben fristgerecht Angebote für Los 1 ab, wobei das Angebot der Beigeladenen aufgrund des niedrigsten Angebotspreises den ersten Rang belegte. Für Los 2 reichte neben anderen Bietern die R. P. Ausbau GmbH ein Angebot ein.
Die Beigeladene ist Mehrheitsgesellschafterin der R. P. Ausbau GmbH. Herr G. G. und Herr K. H. sind jeweils Prokuristen der Beigeladenen und Geschäftsführer der R. P. Ausbau GmbH.
Mit Schreiben vom 07.04.2020 rügte die Antragstellerin, dass die Angebote der Beigeladenen und die R. P. Ausbau GmbH aufgrund der juristischen und personellen Verflechtungen dieser Unternehmen gegen die Loslimitierung verstießen und daher auszuschließen seien. Weitere zwei Bieter seien ebenfalls auszuschließen, da sie je ein Angebot für Los 1 und Los 2 abgegeben hätten. Der Zuschlag für Los 1 sei daher der Antragstellerin zu erteilen.
Der Antragsgegner bat mit Schreiben vom 14.04.2020 die Beigeladene um Aufklärung der personellen und gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen sowie dazu, ob es Überschneidungen im Mitarbeiterstamm und bei den zur Leistungserbringung erforderlichen Gerätschaften, Maschinen und Fahrzeugen gebe. Die Beigeladene teilte hierauf mit, sie und die R. P. Ausbau GmbH agierten eigenständig und unabhängig voneinander am Markt. Es gebe abgesehen von Herrn G. und Herrn H. keine personellen Überschneidungen und eine infrastrukturelle Eigenständigkeit. Die Antragstellerin verfüge über eine eigene Belegschaft, sowie eigene Ausstattung an Geräten, Maschinen und Fahrzeugen.
Der Antragsgegner teilte mit Schreiben vom 11.05.2020 der Antragstellerin mit, die Bieter, die Angebote auf Los 1 und 2 abgegeben hätten, habe sie ausgeschlossen. Der Rüge bezüglich der Beigeladenen helfe sie nicht ab.
Im Schreiben vom 15.05.2020 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin, dass er beabsichtige, den Zuschlag für Los 1 der Beigeladenen zu erteilen. Mit Schreiben vom 20.05.2020 beantragte die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Beigeladene und die R. P. Ausbau GmbH seien beide demselben Konzern zuzurechnen, damit als Einheit zu sehen und hätten daher gegen die Loslimitierung verstoßen. Sie seien zwingend auszuschließen. Die personelle Verflechtung mit Herrn H. und Herrn G. könne nur den Sinn haben, die Geschäfte der beiden Unternehmen zu koordinieren. Zudem stelle es eine Wettbewerbsverzerrung und eine Ungleichbehandlung dar, wenn Unternehmen im Konzernverbund erlaubt werde, auf beide Lose zu bieten, anderen Unternehmen wie der Antragstellerin dies aber versagt bleibe, obwohl sie...