Leitsatz (amtlich)
1. Wird der gesetzliche Zugewinnausgleichsanspruch durch eine Auseinandersetzungsvereinbarung konkretisiert, handelt es sich um einen (gegebenenfalls nach § 133 Abs. 4 InsO anfechtbaren) entgeltlichen Vertrag, wenn die Vereinbarung sich darauf beschränkt, den ohnehin gesetzlich geschuldeten Ausgleichsbetrag festzulegen. Wird in der Auseinandersetzungsvereinbarung hingegen eine den gesetzlichen Ausgleichsanspruch übersteigende Geld- oder sonstige Forderung begründet, kommt - jedenfalls hinsichtlich des Differenzbetrags - (zusätzlich) eine Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht.
2. Bei einer den Wert der erbrachten bzw. zu erbringenden Gegenleistung übersteigenden Leistung des Schuldners hängt die Frage der teilweisen Unentgeltlichkeit davon ab, ob die Werte in einem groben Missverhältnis zueinander stehen und die Ehegatten den ihnen zustehenden Bewertungsspielraum bei der Auseinandersetzung missbräuchlich überschritten haben. Ob der Bewertungsspielraum überschritten ist, ergibt sich unter objektiven Gesichtspunkten.
3. In einem auf § 134 Abs. 1 InsO gestützten Anfechtungsprozess obliegt dem Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unentgeltlichen Leistung des Schuldners. Sind dabei Umstände aus dem Bereich des Anfechtungsgegners relevant, trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast.
4. Beruft sich der Anfechtungsgegner darauf, beide Teile seien von einem gleichwertigen Leistungsaustausch ausgegangen, muss der Insolvenzverwalter (nur) die von dem Anfechtungsgegner substantiiert dargelegten Umstände auszuräumen, die eine solche Annahme der Vertragsparteien erlauben.
Normenkette
InsO § 134
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 4 O 342/21) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der ihr Prozesskostenhilfegesuch zurückweisende Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 10.05.2022 (4 O 342/21) in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses v. 24.05.2022 abgeändert.
Der Antragstellerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage gemäß dem Klageentwurf vom 22.12.2021 mit der Maßgabe bewilligt, dass der Klageantrag zu 2) lediglich auf Zahlung weiterer 1.295,43 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit gerichtet ist.
Der Antragstellerin wird ... als Prozessbevollmächtigte beigeordnet.
Gründe
(abgekürzt gem. § 127 Abs. 1 S. 3 ZPO)
I. Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache überwiegend Erfolg. Das Landgericht hat auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Anfechtungsklage zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin habe eine (teilweise) unentgeltliche Leistung des Schuldners nicht hinreichend dargelegt. Lediglich die Nebenforderung hat die Antragstellerin nur teilweise schlüssig dargetan.
1. Der Antragstellerin steht nach ihrem im PKH-Verfahren zugrunde zu legenden Sachvortrag ein Rückgewähranspruch gemäß § 143 Abs. 1 InsO zu, weil der Schuldner seine Miteigentumsanteile an der streitgegenständliche Immobilie jedenfalls teilweise unentgeltlich und damit insgesamt nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar auf die Antragsgegnerin übertragen hat.
Nach § 143 Abs. 1 InsO muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Rückgewähr bedeutet grundsätzlich, dass der betroffene Gegenstand im vollen Umfang seiner Veräußerung, Weg- oder Aufgabe in Natur in die Insolvenzmasse zurückgelangen muss. Die Insolvenzmasse ist in die Lage zu versetzen, in der sie sich befinden würde, wenn das anfechtbare Verhalten unterblieben wäre (MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl. 2019, § 143 Rn. 42). Erwirbt ein Bruchteilseigentümer - wie hier - das Eigentum insgesamt in anfechtbarer Weise, richtet sich der Anspruch auf Rückgewähr des neu erworbenen Bruchteils des jetzt in der Hand des Erwerbers vereinigten Grundstücks. Nach Wiederherstellung des Miteigentumsanteils kann der Insolvenzverwalter diesen gemäß allgemeinen Regeln verwerten. Er kann sich aber auch, wie die Antragstellerin, darauf beschränken, im Wege der Anfechtung sogleich die Zustimmung des Anfechtungsgegners zur Teilungsversteigerung (§§ 180 ff. ZVG) des gesamten Grundstücks zu verlangen, um den auf die Insolvenzmasse rechnerisch entfallenden Anteil am Erlös zu erhalten (HK-InsO/Thole, 10. Aufl. 2020, § 143 Rn. 10; MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, a.a.O. Rn. 51; Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl. 2019, § 143 Rn. 170).
2. Nach § 134 Abs. 1 InsO ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Antragstellerin hinreichend dargetan, dass die Ü...