Leitsatz (amtlich)
1. Weil der Pflichtverteidiger Auslagen von seinem Mandanten im Verfahren nach § 52 RVG nicht beanspruchen kann, besteht insoweit auch im Rahmen der Erstattung der notwendigen Auslagen keine Erstattungspflicht der Staatskasse.
2. Die gezahlten Pflichtverteidigergebühren sind bei einem Teilfreispruch in voller Höhe und nicht etwa nur im anteiligen Verhältnis von Freispruch zu Verurteilung auf den nach der Differenzmethode berechneten Erstattungsanspruch anzurechnen.
Normenkette
RVG § 52
Tenor
Die sofortige Beschwerde des früheren Angeklagten gegen den Beschluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Düsseldorf vom 30. August 2012 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Rechtspflegerin den Antrag des Pflichtverteidigers, nach rechtskräftiger Verurteilung des früheren Angeklagten (fortan: Angeklagten) und Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung weitere Wahlverteidigergebühren wegen des gleichzeitigen Teilfreispruchs gegen die Staatskasse festzusetzen, als unbegründet zurückgewiesen. Folgender Verfahrensgang liegt zugrunde:
Der Angeklagte wurde im März 2011 verhaftet und befand sich bis zum Ende der erstinstanzlichen Hauptverhandlung in dieser Sache in Untersuchungshaft. Die im April erhobene Anklage zum Landgericht legte ihm Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und gewerbsmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in acht weiteren Fällen zur Last. Wegen vier dieser acht Fälle wurde das Verfahren in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Unter Freispruch im Übrigen wurde der Angeklagte nach viertägiger Hauptverhandlung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln invierFällen und Besitzes von Betäubungsmitteln inzweiFällen zu einem Jahr und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten änderte der Bundesgerichtshof das Urteil mit Beschluss vom 27. März 2012 dahin ab, dass der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln,jeweils in zweiFällen, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten und einer Woche unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und im Übrigen freigesprochen wurde. Die Kostenentscheidung des BGH lautet:
"Soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, trägt er die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Im Umfang des Freispruchs fallen diese Kosten sowie die dem Angeklagten jeweils entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last."
Rechtsanwalt Dr. G. war im April 2011 - vor Eingang der Anklage - von dem Angeklagten schriftlich bevollmächtigt und im Juli 2011 zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Seine Vergütung als Pflichtverteidiger ist durch Festsetzung und Zahlung von 2.664,17 € erledigt. Seinen Antrag, wegen des Teilfreispruchs weitere Wahlverteidigergebühren gegen die Staatskasse festzusetzen, hat die Rechtspflegerin zurückgewiesen, weil nach Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren nichts mehr übrig bleibe. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die Rechtspflegerin im Ergebnis richtig entschieden hat.
1. Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 464b Satz 3, § 304 Abs. 3 StPO, § 11 Abs. 1 RpflG i. V. m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO), rechtzeitig eingelegt (§ 311 Abs. 2 StPO) und erkennbar im Namen und mit insoweit fortwirkender Vollmacht (vgl. OLG Hamm, 3 Ws 209/07 vom 12. April 2007 <[...]>) des Angeklagten erhoben. Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Richtern (vgl. Senat, III-1 Ws 124/09 vom 8. April 2009; OLG Hamm, 2 Ws 270/09 vom 3. Dezember 2009, Rdnr. 30 <[...]>).
2. Ob und in welcher Höhe der Angeklagte die Gebühren eines gewählten Verteidigers, die er nach § 52 Abs. 1 RVG dem Pflichtverteidiger schuldet, im Falle eines (wie hier) echten Teilfreispruchs als notwendige Auslagen i. S. v. § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO von der Staatskasse ersetzt verlangen kann, ist in drei Schritten zu ermitteln (vgl. Senat, 1 Ws 700/09 vom 24. Februar 2010 <[...]>; Burhoff/Volpert, RVG, 3. Aufl. [2012], Vergütungs-ABC Rdnrn. 941 ff., § 52 Rdnrn. 56 ff., jeweils mwN):<[...]>
(1) Zunächst ist der Vergütungsanspruch festzustellen, den der Pflichtverteidiger nach dem tatsächlichen Verfahrensablauf als Wahlverteidiger hätte.
(2) Von den so ermittelten Gebühren (Vergütung ohne Auslagen) sind die Gebühren abzuziehen, die angefallen wären, wenn der Angeklagte von vornherein nur wegen der Taten verfolgt worden wäre, derentwegen er verurteilt worden ist.
(3) Von der Differenz ist der Betrag abzuziehen, den die Staatskasse als Gebühren an den Pflichtverteidiger gezahlt hat (§ 52 Abs. 1 Satz 2 RVG).
Diese Berechnung ergibt hier keinen Überschuss zugunsten des Angeklagten.
a) Nach demtatsächlichenVerfahrensablauf hätte der Vergütungsanspruch des gewählten Verteidigers betragen:
Gebühren-/Auslagentatbestand |
Nr. VV RVG |
Betrag |
Grundgebühr mit Haftzuschlag (Z) |
4101 |
300,00 € |
Verfahrensgebühr (Z) |
4105 |
171,25 € |
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