Tenor

Der Antrag des F. aus Omar Khel/Afghanistan auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO gegen den Einstellungsbescheid des Generalbundesanwalts vom 13. Oktober 2010 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

A.

In der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 veranlasste Oberst A. als militärischer Leiter des Provinz-Wiederaufbauteams (PRT) in Kunduz/Afghanistan einen Luftangriff auf zwei Tanklastwagen, die von bewaffneten Taliban entführt worden waren und auf einer Sandbank im Fluss Kunduz feststeckten. Dieser Luftschlag, an dem Hauptfeldwebel G. als Fliegerleitoffizier (JTAC = Joint Terminal Attack Controller) des PRT Kunduz mitwirkte, führte zu einer Vielzahl von Todesopfern, auch unter der Zivilbevölkerung.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. April 2010 hat der Antragsteller, der bei dem Luftangriff seine minderjährigen Söhne H. und I. verlor, beim ermittelnden Generalbundesanwalt "Strafantrag wegen aller in Frage kommender Delikte" gestellt. Am 16. April 2010 hat der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen Oberst A. und Hauptfeldwebel G. gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und dabei eine Strafbarkeit sowohl nach dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) als auch nach dem Strafgesetzbuch (StGB) verneint. Eine "offene Version" des Einstellungsbescheides ist unter dem 13. Oktober 2010 erstellt worden. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er bezichtigt die beiden Beschuldigten des "Mordes in Mittäterschaft" und erstrebt insoweit die Anordnung der Erhebung der öffentlichen Klage, hilfsweise die Anordnung der Fortführung des Ermittlungsverfahrens wegen Straftatbeständen nach dem StGB.

B.

Der Antrag ist unzulässig, weil er nicht in der Form angebracht ist, die das Gesetz vorschreibt.

I.

Nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Daraus folgt, dass die Antragsschrift eine zusammenhängende, zeitlich und gedanklich geordnete, vollständige und aus sich heraus verständliche Darstellung des konkreten geschichtlichen Vorgangs (Lebenssachverhalts) enthalten muss, aus dem der erhobene strafrechtliche Vorwurf hergeleitet wird. Das Gericht muss allein anhand des Vorbringens in der Antragsschrift - ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten - prüfen und feststellen können, dass der Vorwurf strafbaren Verhaltens formell und materiell schlüssig und Anklage zu erheben ist, wenn hinreichender Tatverdacht unterstellt wird (OLG Düsseldorf VRS 84 [1993], 450; NStZ-RR 1998, 365; KK-Schmid, 6. Aufl. [2008], § 172 StPO Rdnr. 34 ff.; Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage [2010], § 172 Rdnr. 27a; jeweils mwN; vgl. auch BVerfG NStZ 2007, 272 Rdnr. 10 mwN). Die Beweismittel sind so anzugeben, dass erkennbar ist, dass für alle zum notwendigen Inhalt des Antrags gehörenden Tatsachen Beweismittel vorhanden sind. Diese müssen danach den aufgestellten Behauptungen so zugeordnet werden, dass eindeutig zu erkennen ist, welcher einzelne Umstand mit welchem Beweismittel nach Auffassung des Antragstellers zu beweisen ist (OLG Celle NStZ 1988, 568). Sind Ermittlungen angestellt worden, muss der Antragsteller den Gang des Verfahrens - soweit er ihn kennt (BVerfG NJW 2000, 1027) - wenigstens in groben Zügen darstellen. In jedem Fall ist der Inhalt des angegriffenen Bescheids wiederzugeben und darzulegen, warum die darin aufgeführten Erwägungen unrichtig sein sollen. Dies alles muss sich aus der Antragsschrift selbst ergeben. Die erforderliche Sachdarstellung im Antrag kann nicht ganz oder teilweise durch eine Bezugnahme auf den Akteninhalt oder auf Anlagen ersetzt werden, die der Antragsschrift beigefügt sind. Eine solche Bezugnahme mag unschädlich sein, wenn die Anlagen, auf die verwiesen wird, lediglich der näheren Erläuterung des für sich bereits uneingeschränkt verständlichen Antragsvorbringens dienen. Sie ist jedoch dann nicht zulässig, wenn erst die Kenntnis des Inhalts der Anlagen und sonstiger Schriftstücke, auf die Bezug genommen wird, ein vollständiges Bild vermittelt. Eine solche Art des Vorbringens führt zu einer Umgehung der Formvorschrift des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil nicht mehr die eigene Sachdarstellung tragendes Element des Antrags ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage [2010], § 172 Rdnr. 30 mwN; BVerfG, 2 BvR 1087/00 vom 31. Januar 2002 Rdnr. 8). Ebenfalls unzulässig ist es, wenn die inhaltlich in Bezug genommenen Schriftstücke oder Aktenbestandteile dem Antrag nicht als Anlagen beigefügt, sondern - auf welchem technischen Wege auch immer - in die Antragsschrift "integriert" werden, ohne dass eine eigene zusammenhängende Sachdarstellung vorgenommen wird. Denn in diesem Fall wären die Oberlandesgerichte gezwungen, einen für ihre Entscheidung bedeutsamen Sachverhalt erst selbst zusammenzustellen (vgl. OLG Celle NdsRpfl 2010, 285; NStZ 1997, 406; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 7. März 2008, 1 Ws 15/08, ≪juris≫; OLG Koblenz OLGSt StPO...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge