Leitsatz (amtlich)
1. Verzichtet der Beschuldigte, dem ein Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO beizuordnen ist, im Rahmen seiner Anhörung durch den Ermittlungsrichter auf sein Recht zur Benennung eines Verteidigers seiner Wahl, so ist ihm gleichwohl eine angemessene Überlegungs- und Erklärungsfrist nach § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO zu gewähren, wenn zweifelhaft erscheint, dass er sich der Tragweite und Bindungswirkung seiner Erklärung bewusst ist.
2. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO entfällt - sofern nicht die Voraussetzungen des § 140 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 StPO vor liegen - mit der Entlassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft. Hat sich nach Haftentlassung ein Wahlverteidiger bestellt, so ist bei erneutem Vollzug von Untersuchungshaft nunmehr dieser auf einen entsprechenden Antrag des Beschuldigten nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO beizuordnen; eine rechtsmissbräuchliche Verdrängung des bisherigen Pflichtverteidigers liegt dann nicht vor.
Verfahrensgang
AG Duisburg (Entscheidung vom 24.09.2010) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Dem Angeklagten wird unter Entpflichtung des ihm durch Beschluss
des Amtsgerichts Duisburg vom 24. September 2010 beigeordneten Rechtsanwalts B. Rechtsanwalt Dr. K. in Düsseldorf als Pflichtverteidiger bestellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Das Amtsgericht Duisburg erließ am 23. September 2010 gegen den Angeklagten Haftbefehl wegen schwerer Brandstiftung (11 Gs 2621/10). Nach vorläufiger Festnahme am frühen Morgen des 24. September 2010 wurde der Angeklagte zunächst polizeilich vernommen und sodann noch am selben Vormittag der Ermittlungsrichterin beim Amtsgericht Duisburg zum Zwecke der Bekanntgabe des Haftbefehls vorgeführt. Diese ordnete im Anschluss an die Verkündung den Vollzug des Haftbefehls an und belehrte den Angeklagten darüber, dass ihm mit Blick auf den Vollzug der Untersuchungshaft ein Pflichtverteidiger beizuordnen sei, hinsichtlich dessen ihm ein Auswahlrecht zustehe. Ausweislich des Verkündungsprotokolls gab der Angeklagte insoweit folgende Erklärung ab:
"Da ich hier keinen Verteidiger kenne, bitte ich darum, dass mir das Gericht einen Pflichtverteidiger bestellt."
Dem Angeklagten wurde daraufhin Rechtsanwalt B. als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 5. November 2010 wurde der Haftbefehl vom 23. September 2010 auf Antrag der Staatsanwaltschaft aufgehoben, weil nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu diesem Zeitpunkt ein dringender Tatverdacht nicht mehr begründet war; der Angeklagte wurde aus der Untersuchungshaft entlassen.
Mit Schriftsatz vom 10. November 2010 bestellte sich Rechtsanwalt Dr. K. als Wahlverteidiger für den Angeklagten.
Am 16. November 2010 erließ das Amtsgericht Duisburg aufgrund weiterer Ermittlungsergebnisse erneut Haftbefehl wegen schwerer Brandstiftung gegen den Angeklagten. Im Rahmen der am selben Tage stattfindenden Verkündung des Haftbefehls, zu der sowohl der beigeordnete Rechtsanwalt B. als auch der Wahlverteidiger Dr. K. erschien, erklärte der Angeklagte, er habe kein Vertrauen zu seinem Pflichtverteidiger und bitte darum, ihm an dessen Stelle Rechtsanwalt Dr. K. zu beizuordnen. Diesen Antrag lehnte der Ermittlungsrichter ab. Zudem ordnete er den Vollzug des Haftbefehls an.
Nachdem die Staatsanwaltschaft unter dem 22. November 2010 Anklage zum Landgericht Duisburg erhoben hatte, beantragte Rechtsanwalt Dr. K. dort mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2010 erneut seine Beiordnung anstelle des bisherigen Pflichtverteidigers und verwies auf eine handschriftliche Erklärung des Angeklagten zur Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. Januar 2011 hat der Vorsitzende der zuständigen Strafkammer die begehrte Auswechslung des Pflichtverteidigers abgelehnt. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt, der Angeklagte habe vor der Beiordnung des Rechtsanwalts B. Gelegenheit zur Benennung eines Verteidigers erhalten, hiervon jedoch ausdrücklich keinen Gebrauch gemacht, eine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses sei nicht dargetan und die Zurücknahme der Bestellung hier auch nicht nach § 143 StPO geboten, weil die Beauftragung des Rechtsanwalts Dr. K. als Wahlverteidiger offensichtlich nur zu dem Zweck erfolgt sei, dessen Beiordnung anstelle des bisherigen Pflichtverteidigers zu erzwingen.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der durch Schriftsatz seines Wahlverteidigers vom 1. Februar 2011 eingelegten Beschwerde, der der Vorsitzende der Strafkammer durch Beschluss vom 4. Februar 2011 nicht abgeholfen hat.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg.
Zweifelhaft erscheint bereits, ob das Amtsgericht Duisburg dem Recht des Angeklagten auf Beteiligung an der Auswahl des Pflichtverteidigers in ausreichendem Maße Rechnung getragen hat. Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO soll dem Bes...