Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Mutter gem. § 1615l BGB. keine Begrenzung des Bedarfs durch Halbteilungsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
Zum Unterhaltsbedarf der Mutter gem. §§ 1615l Abs. 2, Abs. 3 S. 1, 1610 Abs. 1 BGB (gegen BGH FamRZ 2005, 442): Keine Begrenzung des Bedarfs der nichtehelichen Mutter durch den Halbteilungsgrundsatz.
Normenkette
BGB § 1615l Abs. 2, 3 S. 1, § 1610 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Neuss (Aktenzeichen 50 F 159/05) |
Tenor
I. Der Streitwert für die Berufung wird auf insgesamt 18.783 EUR festgesetzt; davon entfallen auf die Berufung bzgl. der Klägerin zu 1) 7.323 EUR, bzgl. des Klägers zu 2) 771 EUR sowie auf die Anschlussberufung der Klägerin zu 1) 10.197 EUR und auf die Anschlussberufung des Klägers zu 2) 492 EUR.
II. Zur Vorbereitung des Senatstermins werden die Parteien auf Folgendes hingewiesen:
Der Kindesunterhaltsanspruch beruht auf §§ 1601 ff. BGB.
Gründe
Der Anspruch der Klägerin zu 1) ergibt sich aus § 1615l Abs. 2 S. 1, 3 Halbs. 1 BGB. Das Maß des Unterhalts richtet sich hierbei nach ihrer Lebensstellung (§§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1610 Abs. 1 BGB und bemisst sich anhand des Einkommens, welches die Mutter ohne die Geburt des Kindes zur Verfügung hätte. Soweit der BGH entschieden hat, dieser Anspruch werde durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt (Urt. v. 15.12.2004 - XII ZR 121/03, FamRZ 2005, 442), vermag sich der Senat dem nicht vollständig anzuschließen (zum Streitstand auch Schilling, Anm. zu BGH FamRZ 2005, 445). Der BGH hat seine Auffassung mit einer weitgehenden Angleichung und Vergleich der Unterhaltsansprüche des § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB mit denen auf nachehelichen Betreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB begründet; der nichtehelichen Mutter dürfe kein höherer Anspruch zukommen als der geschiedenen. Zweck sei es in beiden Fällen, der Mutter jedenfalls während der ersten drei Lebensjahre zu ermöglichen, das Kind zu pflegen und zu erziehen, ohne auf Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Es bestehe aber keine unverändert fortbestehende Lebensstandardgarantie; das Maß des Unterhalts werde zusätzlich durch die Lebensstellung des unterhaltspflichtigen Vaters begrenzt, der zunächst dem Kind unterhaltspflichtig sei und dem auch aus verfassungsrechtlichen Gründen jedenfalls ein Anteil seines Einkommens verbleiben müsse, der die eigenen der Unterhaltsberechtigten zzgl. des gezahlten Unterhalts nicht unterschreite.
Der Senat beabsichtigt insoweit, die Revision zuzulassen.
Gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB sind für den Bedarf der geschiedenen Mutter, die ein oder mehrere gemeinsame Kinder betreut, ausdrücklich die ehelichen Lebensverhältnisse maßgeblich. Aus Wortlaut wie auch Gesetzessystematik ist ein Rückgriff auf eine andere Grundlage für die Bedarfsbemessung nicht gedeckt; auch kann es demnach nicht darauf ankommen, ob die nichteheliche Mutter mit dem Vater zusammen gelebt hat - auch eine solche Differenzierung findet im Gesetz keinerlei Stütze (anders auch Luthin Anm. zu BGH FamRZ 2005, 442 in BGHReport 2005, 433, vgl. auch Nachweise bei Schilling, a.a.O.). Überdies wäre der Bedarf ggf. nach den beiderseitigen Einkünften zu bemessen und auch die dann erforderlichen Feststellungen dazu, ob, wann und inwieweit die Eltern zusammen gelebt und gewirtschaftet haben, stießen auf unübersehbare Schwierigkeiten, abgesehen davon, dass die Gesetzgebungsgeschichte ersichtlich an keiner Stelle an eine Differenzierung zwischen zusammen lebenden und nicht zusammen lebenden, nicht miteinander verheirateten Eltern anknüpft.
Mit der Neuregelung des § 1615l BGB durch das Schwangeren- und Familienänderungsgesetz (BGBl. 1995 I S. 1050) sollte die durch Art. 6 Abs. 5 GG geforderte Angleichung der Entwicklungschancen der nichtehelichen Kinder an eheliche Kinder gefördert werden; indem eine Vollbetreuung durch die Mutter bis zum Kindergartenalter ermöglicht worden ist. Daneben sollte die Stellung der nichtehelichen Mutter gestärkt werden (BVerfG, Beschluss vom 13.2.2003 -1 BvR 1597/99, FamRZ 2003, 662 = FuR 2003, 547 und BGH, Urt. v. 21.1.1998 -XII ZR 85/96, FamRZ 1998, 131; BT-Drucks. 13/1850, 24). Sie sollte von jeder Erwerbstätigkeit freigestellt werden. Die Angleichung mit dem Wortlaut des § 1570 BGB bezieht sich damit auf die zeitliche Verknüpfung des Anspruchs und auf ein (früheres) Kausalitätserfordernis (vgl. BGH, Urt. v. 17.11.2004 -XII ZR 183/02, FamRZ 2005, 347).
Durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz schließlich (BGBl. 1997 I S. 2942), mit dem die Rechte des Kindes gestärkt werden sollten; wurde eine weitere Verlängerungsmöglichkeit geschaffen (vgl. BGH, Urt. v. 17.11.2004 - XII ZR 183/02, FamRZ 2005, 347; BT-Drucks. 13/4899, 42).
Auch mit der Neufassung des § 1615l BGB durch das Kindesunterhaltsgesetz (BGBl. 1998 I S. 666) hat der Gesetzgeber indes ebenfalls davon abgesehen, eine Angleichung der Ansprüche der nichtehelichen Mutter insoweit vorzunehmen, als eine ausdrückliche eigenständige Regelung für Bedarfsbemessung in § 1615l Abs. 2 BGB selbst fehlt. Vielmehr ist (weiterhin) über § ...