Leitsatz (amtlich)
1. Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung ist nicht zu bewilligen, wenn ungeachtet eines Verfahrensmangels in erster Instanz der Antragsteller mit seinem Begehren im Ergebnis nicht durchdringen wird (Anschluss an BGH, Beschl. v. 02.03.2017 - IX ZA 28/16, Rn. 2).
2. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 128 Abs. 2 ZPO kann nur ergehen, wenn die Parteien einer entsprechenden Anordnung zumindest nachträglich klar, eindeutig und vorbehaltlos zustimmen. Das Schweigen einer Partei auf die Anordnung des schriftlichen Verfahrens kann auch unter Berücksichtigung der im März 2020 bestehenden COVID-19-Situation nicht als Zustimmung gedeutet werden.
3. Eine Zahlungserleichterung oder Zahlungsvereinbarung i.S.v. § 133 Abs. 3 InsO liegt vor, wenn dem Schuldner verkehrsübliche Ratenzahlungen gewährt oder bereits geltende Zahlungsmodalitäten modifiziert werden. Dass die Bank lediglich Zahlungen des Schuldners auf dessen Girokonto entgegengenommen hat, reicht hierfür nicht aus.
4. Die Vermutungswirkung des § 133 Abs. 3 InsO greift nicht ein, wenn dem Anfechtungsgegner bereits vor Vereinbarung der Zahlungserleichterung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt war.
5. Bei einem nicht unternehmerisch oder gewerblich tätigen Schuldner muss neben der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit auch die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung festgestellt werden. Hierfür genügt nicht, dass der Schuldner erklärt, er könne neben seinen laufenden Verpflichtungen nicht mehr als 350 EUR monatlich an den Anfechtungsgegner zahlen, denn aufgrund dieser Erklärung muss der Gläubiger nicht damit rechnen, dass bei Leistung der angekündigten Zahlungen weitere Gläubiger nicht bedient werden können.
Normenkette
InsO § 133 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 3; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, letzter Halbs, § 128 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 12 O 439/19) |
Tenor
Der Antrag des Klägers vom 28.05.2020 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung gegen das am 23.04.2020 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach (12 O 439/19) wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 116 S. 1 Nr. 1, S. 2 i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1, letzter Halbs. ZPO nicht vorliegen. Danach erhält der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen, und außerdem die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die beabsichtigte Berufung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Erfolg bezieht sich auf das verfolgte Rechtsschutzziel (z.B. den Klageanspruch) und meint deshalb den Erfolg in der Sache selbst. Es genügt daher nicht, wenn das Rechtsmittel, für das Prozesskostenhilfe begehrt wird, zwar zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache führen, der Antragsteller aber mit seinem Begehren im Ergebnis nicht durchdringen wird (BGH, Beschl. v. 21.06.2017 - XII ZB 231/17, MDR 2017, 1441, 1442 Rn. 10; Beschl. v. 02.03.2017 - IX ZA 28/16, juris Rn. 2; BGH, Beschl. v. 18.09.2014 - IX ZA 16/14, ZInsO 2014, 2222, 2223 Rn. 6; Beschl. v. 15.11.2011 - II ZR 6/11, ZIP 2012, 86, 87 Rn. 12; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 114 Rn. 20). Letzteres ist hier - ungeachtet dessen, dass auch die Voraussetzungen einer Zurückverweisung an das Landgericht (§ 538 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen - der Fall.
1. Zu Recht macht der Kläger allerdings geltend, dass das erstinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, weil das Urteil unter Verstoß gegen den Mündlichkeitsgrundsatz (§ 128 Abs. 1 ZPO) zustande gekommen ist. Voraussetzung einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 128 Abs. 2 ZPO ist die Zustimmung der Parteien. Diese Zustimmung kann u.U. auch nachträglich erteilt werden (vgl. BGH, Urt. v. 09.06.2011 - I ZR 41/10, WRP 2012, 979, 981 f. Rn. 33; Urt. v. 20.03.2007 - VI ZR 254/05, NJW 2007, 2122 Rn. 8), ungeachtet dessen, dass Bedenken dagegen bestehen, dass das Landgericht die Anordnung des schriftlichen Verfahrens hier unter eine "Bedingung" gestellt hat. Geht man davon aus, dass das Landgericht die Anordnung im vermuteten Einverständnis der Parteien getroffen hat, war gleichwohl eine klare, eindeutige und vorbehaltlose Erklärung der Parteien erforderlich (BGH, Urt. v. 20.03.2007, a.a.O. Rn. 7 f.). Eine solche Erklärung des Klägers lag nicht vor, was das Landgericht - wie die Anfrage des Vorsitzenden vom 30.03.2020 zeigt - auch erkannt hat. Der Hinweis darauf, dass das Gericht derzeit im "Notbetrieb" arbeite und der Posteingang deshalb möglicherweise auch nur noch nicht zugetragen worden sei, ändert hieran nichts. Denn ersic...