Leitsatz (amtlich)
1.
Wird in einem Strafverfahren ein Rechtsanwalt gemäß § 68b StPO mehreren Zeugen beigeordnet, so ist seine Tätigkeit nach § 7 i.V. Nr. 1008 RVG unter Erhöhung der Verfahrensgebühr zu vergüten.
2.
Dem einem Zeugen beigeordneten Rechtsanwalt stehen die in Teil 4 (Strafsachen) Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG bestimmten Gebühren eines Verteidigers zu. Die Gleichstellung eines Zeugenbeistandes mit einem Verteidiger ist sachgerecht, da sich der Beistand ebenso wie ein Verteidiger umfassend über das Verfahren informieren muss. Er muss unter anderem prüfen, inwieweit der Zeuge involviert ist und ob und in welchem Maße etwa ein Aussageverweigerungsrecht besteht. Zudem wird die Arbeit des Zeugenbeistandes durch die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts erschwert.
Normenkette
RVG § 7; RVG VV Nr. 1008; StPO § 68b
Tenor
I.
Die Sache wird wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 2 RVG).
II.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
III.
Die dem Rechtsanwalt J. in Eschweiler aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird auf 1 235,34 Euro festgesetzt.
IV.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
V.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten am 3. April 2009 wegen Bestechung in 112 Fällen und wegen Vorteilsgewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Angeklagten auferlegt; soweit das Verfahren zuvor gemäß §§ 154, 154a StPO beschränkt worden war, wurden die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt.
Im Lauf der Hauptverhandlung, nämlich am 22. Januar 2009, vernahm die Strafkammer - zu dem Bereich, der später gemäß §§ 154, 154a StPO ausgesondert wurde - sowohl den Zeugen M. als auch den Zeugen M. Beiden Zeugen hatte der Vorsitzende der Strafkammer zuvor Rechtsanwalt J. in Eschweiler gemäß § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet.
Rechtsanwalt J. begehrt nunmehr von der Landeskasse für seine Tätigkeit hinsichtlich jeden der beiden Zeugen Gebühren und Auslagen von jeweils 980,79 Euro, insgesamt also 1 961,58 Euro. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist dem im Wesentlichen gefolgt, jedoch wurde das Abwesenheitsgeld auf insgesamt 35 Euro (statt 2 * 20 Euro) ermäßigt und die Terminsgebühr i.H.v. 356 Euro jeweils nur zur Hälfte berücksichtigt. Insgesamt wurde die Vergütung auf 1 531,98 Euro festgesetzt.
Gegen diese Festsetzung haben sich sowohl der Bezirksrevisor als auch der Rechtsanwalt mit der Erinnerung gewandt. Während die Erinnerung des Rechtsanwalts zurückgewiesen wurde hat das Landgericht der Erinnerung des Bezirksrevsors stattgegeben und die Vergütung auf insgesamt 401,96 Euro festgesetzt. Im Wesentlichen wurde nur eine Verfahrensgebühr (Nr. 4301 VV RVG) i.H.v. 168,00 EUR sowie ein Erhöhungsbetrag (Nr. 1008 VV RVG) i.H.v. 50,00 EUR nebst weiterer Auslagen berücksichtigt.
Gegen diesen Beschluss des Einzelrichters wendet sich der Rechtsanwalt mit der Beschwerde. Das nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 und 3 RVG zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet.
II.
1.
Zutreffend geht der Einzelrichter der Strafkammer von einer einheitlichen Festsetzung der Vergütung aus, obwohl der Rechtsanwalt für zwei Zeugen, denen er beigeordnet wurde, tätig geworden ist. Dies folgt aus der Regelung in § 7 Abs. 1 RVG. Danach erhält der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal, wenn er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig geworden ist.
Vorliegend wurde der Rechtsanwalt zwar nur durch einen Auftraggeber beauftragt, jedoch im Interesse für verschiedenen Personen; dies steht der Regelung des § 7 RVG mit der Möglichkeit der Gebührenerhöhung nach § 7 Abs. 2 RVG gleich; denn die Beauftragung durch das Gericht für mehrere Zeugen im Rahmen einer Beiordnung kann gebührenrechtlich nicht anders zu behandeln sein als eine unmittelbare Beauftragung durch die Zeugen selbst. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist entgegen dem Wortlaut darauf abzustellen, wem die Beauftragung nützt (Hartmann, KostG, 39. Aufl., § 7 RVG Rdn. 4). Es ist i.S.v. § 7 RVG also von einer Beauftragung durch mehrere auszugehen.
Die Beauftragung des Rechtsanwalts erfolgte im Rahmen derselben Angelegenheit; dem steht nicht entgegen, dass die einzelnen Gegenstände, für die der Rechtsanwalt tätig geworden ist, verschieden sind (vgl. hierzu Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., § 7 Rdn. 20).
Vorliegend handelt es sich um ein Strafverfahren mit einem einheitlichen Aktenbestand. Ein Rechtsanwalt, der in einem Strafverfahren mehrere Zeugen vertritt, wäre ohne sachlichen Grund bevorzugt, wenn er anders als ein Verteidiger für seine Einarbeitung in den Fall mehrfach entlohnt würde.
Insgesamt sind mithin auf der Grundlage des § 7 RVG einheitliche Gebühren festzusetzen (ebenso OLG Koblenz JurBüro 2005, 589; Hartmann a.a.O. 1008 VV Rdn. 15; a.A. Gerold/S...