Entscheidungsstichwort (Thema)

Beurteilung von Wechselbezüglichkeit von Verfügungen

 

Verfahrensgang

AG Geldern (Aktenzeichen 10 VI 422/06)

 

Tenor

Auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 wird der vorbezeichnete Be-schluss aufgehoben.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 50.000 EUR.

 

Gründe

I. Die am 11.9.2006 verstorbene Erblasserin war mit dem früheren Beteiligten zu 2 verheiratet, der am 15.9.2011 verstorben und - möglicherweise -von dem früheren Beteiligten zu 3, seinem Bruder, allein beerbt worden ist (vgl. Urkunde 345/2011 des Notars Dr. O. in Geldern - Testament vom 25.7.2011).

Die Beteiligte zu 1 ist die Nichte der Erblasserin.

Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten am 15.2.1999 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem es heißt:

"Wir,... bestimmen als unseren letzten Willen wie folgt:

1. Ich E.H. setzte meine Frau E. hiermit zur Alleinerbin ein.

Sollte meine Frau E. vor mir sterben, ist die Nichte meiner Frau,

S. K. Ersatzerbin.

(2 Ich, E.H.,... berufe zur meiner Erbin die Tochter meines Bruders

Otto K., meine Nichte und Patenkind S. K.

Diese Erbeinsetzung soll sich im wirtschaftlichen Ergebnis aber nur auf meinen Anteil am Hausgrundstück in Issum sowie auf das Auto. Sparbuch Postbank 270,... zur Bestattung und Flege gedacht ich möchte das Meine Nichte meinem Mann ein Wohnrecht im Hause lässt. Sollte S. noch nicht Alleineigentümerin sein bitte ich meinen Bruder O. dem Wohnungsrecht zuzustimmen.

Stirbt mein Mann E. H. vor mir, bekommt S. alles was mir gehört.

Unseren Willen erkennen wir gegenseitig an.

Issum 15.2.1999.

.. H. H.".

Die Beteiligte zu 1 hatte am 27.10.2006 beantragt, ihr einen Erbschein als Alleinerbin nach der Erblasserin zu erteilen.

Das AG - Nachlassgericht - hatte mit Beschluss vom 22.12.2006 dem Antrag entsprochen.

Der frühere Beteiligte zu 2, vertreten durch seinen Betreuer, hat beantragt, den Erbschein einzuziehen.

Er hat geltend gemacht, der auf dem Testament vom 15.2.1999 basierende Erbschein sei unrichtig; das Testament sei unwirksam, weil er, der frühere Beteiligte zu 2 - dies ergebe sich aus einem im Betreuungsverfahren eingeholten Gutachten - nicht lesen und auch - bis auf seinen Namen - nicht schreiben könne und daher ein Testament nicht wirksam habe errichten können.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 2.5.2011 den Erbschein als unrichtig eingezogen.

Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, das gemeinschaftliche Testament sei gem. §§ 2265, 2247 Abs. 4 BGB formwidrig zustande gekommen und daher unwirksam. Aufgrund des Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie U. P. vom 11.3.2010 im Betreuungsverfahren 10 XVII 32/10 AG Geldern stehe fest, dass der frühere Beteiligte zu 2 Analphabet sei. Er könne daher ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament nicht wirksam errichten. Da die Verfügung wechselbezüglich sei, habe die Nichtigkeit der Verfügung des früheren Beteiligten zu 2 auch die Unwirksamkeit der Verfügung der Erblasserin zur Folge.

Der Unwirksamkeit des Testaments stehe nicht entgegen, dass der frühere Beteiligte zu 2 bei Beantragung des Erbscheines anwesend gewesen sei und die notarielle Niederschrift genehmigt habe.

Dem tritt die Beteiligte zu 1 mit ihrer Beschwerde entgegen, beantragt den Einziehungsbeschluss aufzuheben und macht geltend, es werde bestritten, dass der frühere Beteiligte zu 2 bei Testamentserrichtung nicht habe lesen können; das deshalb möglicherweise unwirksame gemeinschaftliche Testament sei aber jedenfalls als Einzeltestament der Erblasserin wirksam. Die maßgebliche Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 sei einseitig und nicht wechselbezüglich erfolgt. Bei einem gemeinschaftlichen Testament von Eheleuten könne im Falle der Testierunfähigkeit eines Ehegatten eine einseitige Verfügung des anderen Ehegatten im Wege der Umdeutung aufrechterhalten werden.

Das AG hat am 8.8.2011 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte dem Senat vorgelegt.

Am 15.9.2011 ist der Ehemann der Erblasserin, der frühere Beteiligte zu 2, verstorben; er ist (möglicherweise) von dem Beteiligten zu 3 beerbt worden, der in das Verfahren eingetreten ist.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 28.11.2011 ließ die Beteiligte zu 1 mitteilen, die Beteiligten hätten sich inzwischen außergerichtlich im Sinne eines Anerkenntnisses geeinigt, dass die Beteiligte zu 1 die Erblasserin aufgrund des Testaments vom 15.2.1999 allein beerbt habe und der Erbschein vom 22.12.2006 zutreffend erteilt worden sei; des Weiteren sei man sich dahin einig, dass der frühere Beteiligte zu 3 der Alleinerbe nach dem früheren Beteiligten zu 2 sei. Demnach werde der frühere Beteiligte zu 3 den Antrag auf Einziehung des Erbscheins zurücknehmen. Folglich seien der Einziehungsbeschluss des Nachlassgerichts vom 2.5.2011 sowie der Nichtabhilfebeschluss vom 8.8.2011 aufzuheben.

Der frühere Beteiligte zu 3 hat unter Hinweis auf seine angebliche Erbenstellung nach dem früheren Beteiligten zu 2 mit Anwaltsschrift vom 8.12.2011 den Antrag auf Einziehung des Erbscheins zurückgenommen.

Wegen der weiteren Ei...

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