Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenfestsetzung in einer Familiensache: Behandlung eines Erstattungsanspruchs der Staatskasse hinsichtlich verauslagter Kosten eines Prozesskostenhilfeanwalts. Auflösende Bedingtheit des Erstattungsanspruchs und Auswirkungen einer vor Rechtskrafteintritt vereinbarten Kostenaufhebung
Leitsatz (amtlich)
Ein auf die Staatskasse nach § 59 RVG übergegangener Anspruch gehört nicht zu den im Kostenansatzverfahren anzusetzenden Gerichtskosten. Er ist in der Gerichtskostenrechnung gesondert aufzuführen.
Ein zunächst nach § 59 RVG auf die Staatskasse übergegangener Erstattungsanspruch gegen den Gegner der mittellosen Partei ist auflösend bedingt bis zum Eintritt der Rechtskraft. Wird vor Eintritt der Rechtskraft eine Kostenaufhebung vereinbart, hat die Staatskasse im Ergebnis keinen Erstattungsanspruch. Soweit die Staatskasse den erstattungspflichtigen Gegner bereits in Anspruch genommen hat, sind die Beträge zurückzuzahlen.
Normenkette
RVG § 59 Abs. 1; ZPO § 122 Abs. 2, §§ 123, 126 Abs. 2; GKG § 19
Verfahrensgang
AG Kleve (Beschluss vom 16.09.2010; Aktenzeichen 5 F 364/08) |
Tenor
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die sofortige Beschwerde der Klägerin der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Kleve - Familiengericht - vom 16.9.2010 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Aufgrund des Vergleichs des OLG Düsseldorf vom 14.8.2009 (II-UF 94/09) sind von der Klägerin 121,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 7.7.2010 an den Beklagten zu erstatten. Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten vom 6.7.2010 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigt. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 35 % und der Beklagte zu 65 %.
Gründe
I. Die am 12.10.201 bei Gericht eingegangene "Beschwerde" der Klägerin gegen den ihr am 6.10.2011 zugegangenen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Kleve - Familiengericht - vom 16.9.2010 (Bl. 205f, 208 GA) ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO als sofortige Beschwerde auszulegen und als solche statthaft. Sie ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
1. Ohne Erfolg verweist die Klägerin darauf, dass ihr mit Beschluss vom 25.11.2008 (Bl. 10 PKH-Heft) für die Wahrnehmung ihrer Rechte in der ersten Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt worden ist und sie deshalb auch nicht anteilig mit Gerichtsgebühren belastet werden dürfe.
Nach der endgültigen Kostenregelung in dem vor dem 3. Familiensenat des OLG Düsseldorf geschlossenen Vergleich vom 14.8.2009 (Bl. 151 ff. GA) waren die Parteien sich darüber einig, dass die Kosten des Rechtsstreits, also auch diejenigen erster Instanz, gegeneinander aufgehoben werden sollten. Dies bedeutet in Bezug auf die Gerichtskosten, dass diese je zur Hälfte von den Parteien übernommen werden sollten.
Nach § 123 ZPO hat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss. Die Erstattungspflicht erstreckt sich auf verauslagte Gerichtskosten, Anwaltskosten und sonstige Aufwendungen. Sie entfällt nur, soweit der Gegner der mittellosen Partei selbst gem. § 122 Abs. 2 ZPO oder § 31 Abs. 3 GKG von den Gerichtskosten freigestellt ist (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 123 Rz. 3f). Vorliegend hat der Beklagte die Gerichtsgebühren verauslagt; dies erfolgte zu Recht in voller Höhe. Er war weder gem. § 122 Abs. 2 ZPO noch nach § 31 Abs. 3 S. 1 GKG von Gerichtskosten freigestellt.
Die Gerichtskostenbefreiung nach § 122 Abs. 2 ZPO erfasst nicht die Inanspruchnahme des Beklagten aufgrund seiner Entscheidungsschuldnerschaft nach § 29 Nr. 1 GKG, die durch den späteren Vergleich nicht berührt wurde, § 30 Abs. 1 GKG (vgl. Senatsbeschluss v. 29.6.2010, II-10 WF 5/10, Bl. 187f GA). Die Haftungsfreistellung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG greift nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur ein, wenn die mittellose Partei Entscheidungsschuldnerin (§ 29 Nr. 1 GKG) ist. Hier hat die bedürftige Klägerin die Kostenschuld durch Vergleich teilweise übernommen und haftet insoweit als Übernahmeschuldnerin (§ 29 Nr. 2 GKG). Auf den Fall der Übernahmeschuld kann die Haftungsfreistellung nach § 31 Abs. 3 S. 1 GKG nicht erstreckt werden (vgl. Meyer, GKG, 11. Aufl., § 31 Rz. 30; Zöller/Philippi, § 123 Rz. 6). Dies wäre nur im Wege einer Analogie möglich. Diesbezüglich ist aber zum einen Zurückhaltung geboten, weil es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt. Zum anderen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gesetz insoweit eine unbewusste Lücke aufweist, was Voraussetzung für eine Analogie wäre. Aus der Begründung im Entwurf des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes lässt sich entnehmen, dass eine Erstreckung auf den Übernahmeschuldner bewusst nicht gewollt war, auch dann nicht, "wenn sich die Kostenregelung mögli...