Leitsatz (amtlich)
Der in Vergleichsverhandlungen (hier Unterhaltsvergleich nach sittenwidrigem Ehevertrag) eingeschaltete Rechtsanwalt muss dem Mandanten (hier: Unterhaltspflichtiger) im Einzelnen darlegen, welche Gesichtspunkte für und gegen den Abschluss eines Vergleichs sprechen und alle Bedenken, Unsicherheitsfaktoren und die seinem Mandanten durch den vorgesehenen Vergleich entstehenden Folgen erörtern.
Normenkette
BGB §§ 675, 611, 280
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 23.08.2010; Aktenzeichen 11 O 35/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.8.2010 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Düsseldorf wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 26.040 EUR
Gründe
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die gegen die Entscheidung vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine der Klägerin günstigere Entscheidung.
I. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 15.2.2011. Dort hat er im Wesentlichen ausgeführt:
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz wegen defizitärer Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vergleichs vom 26.10.2005 zu. Denn die der Klägerin erteilte Beratung war in jeder Hinsicht zutreffend. Es handelt sich bei dem Vergleich um eine den berechtigten Interessen der Klägerin gerecht werdende Lösung.
a) Die von dem Rechtsanwalt geschuldete Beratung soll die eigenverantwortliche sachgerechte Entscheidung des Mandanten über Art, Inhalt und Umfang der Verfolgung seiner Rechte und Interessen in der Angelegenheit ermöglichen, in der er den anwaltlichen Vertreter mit der Wahrnehmung seiner Belange betraut hat. Der Mandant - und nicht sein anwaltlicher Vertreter - soll aufgrund der Beratung entscheiden und entscheiden können, ob er ein Recht geltend machen, ob und mit welchem Inhalt er rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben oder Verträge eingehen will (BGH NJW-RR 2000, 791; NJW 1996, 2648, 2649; NJW 1995, 449, 450).
Angesichts dieser Zielsetzung seiner Tätigkeit ist der um Rat gebetene anwaltliche Vertreter seinem Auftraggeber zur umfassenden und erschöpfenden Belehrung verpflichtet, sofern dieser nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf. Der Anwalt muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt daraufhin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel führen können, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann; Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Anwalt darlegen und mit seinem Mandanten erörtern (vgl. u.a. BGH NJW 2007, 2485; 1994, 1211, 1212; 1995, 449, 450; NJW-RR 2005, 494; 2000, 791; WM 2003, 1628; 1993, 610, 613 f.). Er muss seinen Auftraggeber nicht nur über das Vorhandensein, sondern auch über das ungefähre, in etwa abschätzbare Ausmaß des Risikos unterrichten, weil der Mandant in der Regel nur aufgrund einer Einschätzung auch des Risikoumfangs über sein weiteres Vorgehen entscheiden kann (BGH NJW 2007, 2485; 1991, 2079; BGHZ 89, 178, 182; 97, 372, 376). Ist die Sach- oder Rechtslage unklar, muss der Rechtsanwalt dies gegenüber dem Mandanten offenlegen und diesen sorgfältig darüber unterrichten, welche Gesichtspunkte für die eine und welche für die andere Interpretation sprechen und welche Rechtsfolgen sich daraus jeweils ergeben. Der Rechtsanwalt muss den Mandanten insoweit umfassend informieren. Eine einseitige Unterrichtung kann zu einer Fehleinschätzung der Lage durch den Mandanten führen und birgt insoweit die Gefahr, dass dieser eine der objektiven Lage nicht entsprechende Entscheidung trifft. Der Sinn der Mandatierung eines rechtskundigen und erfahrenen Rechtsanwalts besteht gerade darin, Fehleinschätzungen und -entscheidungen des Mandanten zu vermeiden (BGH NJW-RR 2000, 791).
Der Rechtsanwalt, der in Vergleichsverhandlungen eingeschaltet ist, muss demnach den Mandanten auf Vor- und Nachteile des beabsichtigten Vergleichs hinweisen (BGH NJW 2002, 292). Er muss im Einzelnen darlegen, welche Gesichtspunkte für und gegen den Abschluss eines Vergleichs sprechen und alle Bedenken, Unsicherheitsfaktoren und die seinem Mandanten durch den vorgesehenen Vergleich entstehenden Folgen erörtern (vgl. Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 716), so dass dieser in die Lage versetzt wird, eigenverantwortlich über die Annahme des Vergleichs zu entscheiden (vgl. auch BGH NJW 2005, 3275).
b) Orientiert an diesen Grundsätzen ist der Beklagten keine anwaltliche Beratungspflichtverletzung anzulasten.
(1) Die Auskunft der Beklagten, der Ehevertrag vom 3.3.1995 sei jedenfalls hinsichtlich des Aus...