Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes für Berufshaftpflichtversicherungen. Grenzen des Bedarfsmarktkonzeptes
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zulässigkeit wettbewerbsbeschränkender Mitversicherungsgemeinschaften im Rahmen von Art. 7 Abs. 2 a) Versicherungs-GVO ist vom Marktanteil der vertriebenen Versicherungsprodukte abhängig. Um diesen zu bestimmen, ist der sachlich und räumlich relevante Markt abzugrenzen. Dies erfolgt im Rahmen des Bedarfsmarktkonzeptes unter Einschränkung durch das Konzept der Angebotsumstellungsflexibilität.
2. Richtet sich das Angebot einer Berufshaftpflichtversicherung speziell an Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, ist bei der Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes auf alle rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe abzustellen und nicht nur auf Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, da das Angebot ohne Probleme auf andere rechts- und wirtschaftsberatende Berufe umgestellt werden kann.
Gründe
A.
Die Beteiligten zu 2-5 sind miteinander im Wettbewerb stehende Versicherungsunternehmen.
Die Beteiligte zu 1 (nachfolgend: Versicherergemeinschaft) ist nach den Bestimmungen ihrer Satzung eine auf Dauer angelegte Versicherergemeinschaft, in der sich die Beteiligten zu 2-5 zu dem Zweck zusammengeschlossen haben, die Vermögensschadenhaftpflichtversichung (VSH-Versicherung) für im In- und Ausland tätige Wirtschaftsprüfer (nachfolgend: WP), Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (nachfolgend: WPG), vereidigte Buchprüfer (nachfolgend: vBP) und Buchprüfungsgesellschaften (nachfolgend: vBPG) sowie Steuerberater (nachfolgend: StB), Steuerberatungsgesellschaften (nachfolgend StBG), Steuerbevollmächtigte und genossenschaftliche Prüfungsverbände in der Form der Mitversicherung gemeinschaftlich zu betreiben. Der Versicherergemeinschaft obliegt der Abschluss und die Verwaltung der Versicherungsverträge sowie die Schadensbearbeitung. Sie tritt gegenüber den Kunden autark als Anbieter von VSH-Versicherungen insbesondere für Wirtschaftsprüfer, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, vereidigte Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften auf. Die Ausfertigung der Versicherungsscheine und Nachträge erfolgt in offener Mitversicherung durch die Versicherergemeinschaft und unter dem Namen der Versicherergemeinschaft. Die Beteiligten zu 2-5 haften aus den Versicherungsverträgen nur in Höhe einer vereinbarten Quote.
Die Versicherergemeinschaft besteht seit über 50 Jahren. Ihre Vorgängerin wurde bereits 1935 gegründet.
Das Bundeskartellamt sieht in der Zusammenarbeit der Beteiligten zu 2-5 in der Versicherergemeinschaft zur Versicherung von Vermögensschadenhaftpflichtrisiken für im Inland tätige WP und vBP mit Ausnahme der VSH-Versicherungen für die international tätigen Wirtschaftprüfergesellschaften E. & Y., K. , P. und D. & T. ('Big 4') einen Verstoß gegen Art. 81 EG bzw. § 1 GWB. Mit Verfügung vom 10. August 2007 stellte das Bundeskartellamt den genannten Verstoß fest und untersagte den Beteiligten zu 2-5, nach dem 31.12.2008 diese Tätigkeit mit Ausnahme der gemeinsamen Versicherung der vier genannten international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften weiter zu betreiben. Darüber hinaus gab das Bundeskartellamt der Versicherergemeinschaft auf, die von der Untersagung erfassten Verträge bis spätestens zum 31.12.2008 zu kündigen und nicht zu erneuern (Ziffer 2) und untersagte den Beteiligten zu 2-5, ab dem 01.01.2008 im Rahmen ihrer Zusammenarbeit in der Versicherergemeinschaft Mehrjahresverträge und ab dem 01.01.2009 Neuverträge abzuschließen (Ziffer 3 und 4).
Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1-5 Beschwerde eingelegt und zudem beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerden anzuordnen. Mit Beschluss vom 27. September 2007 hat der Senat ihrem Antrag nach § 65 Abs. 2 GWB stattgegeben.
Nach Auffassung der Beteiligten zu 1-5 liegt ein Verstoß gegen Art. 81 EG, § 1 GWB schon deshalb nicht vor, weil es sich bei der Tätigkeit der Versicherergemeinschaft um eine den Wettbewerb nicht beeinträchtigende Arbeitsgemeinschaft handele. Überdies sei der Beschluss aber auch deshalb rechtswidrig, weil die Freistellungsvoraussetzungen der Versicherungs-GVO erfüllt seien. Die Annahme des Bundeskartellamtes, die Versicherergemeinschaft habe die in Art. 7 Abs. 2 Versicherungs-GVO vorgesehene Marktanteilsschwelle von .. % überschritten, beruhe auf einer fehlerhaften Marktabgrenzung und damit auf einer fehlerhaften Ermittlung der Marktanteile. Der sachlich relevante Markt umfasse nicht nur die VSH-Versicherung für WP/vBP, sondern auch die für Steuerberater, Rechtsanwälte und Notare. Auch der räumlich relevante Markt sei mit Deutschland zu eng abgegrenzt. Aber selbst auf einem deutschlandweit abgegrenzten Markt für VSH-Versicherungen für RWS-Berufe liege der Marktanteil der Versicherergemeinschaft mehrere Prozentpunkte unterhalb der Marktanteilsschwelle von .. %. Darüber hinaus seien auch die übrigen Freistellungsvoraussetzungen des Art. 8 Versicherungs-GVO erfüllt. Aber selbst w...