Leitsatz (amtlich)

§ 116 Nr. 1 ZPO macht nicht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter zur Regel und die Nichtgewährung zur Ausnahme. Es bleibt bei der Regel, dass jede Partei ihre Aufwendungen für die Prozessführung grundsätzlich selbst zu tragen hat und Prozesskostenhilfe nur erhält, wenn sie die dafür geltenden besonderen Voraussetzungen dartut, sowie auf Verlangen des Gerichts glaubhaft macht. Auch für die Voraussetzung der „Unzumutbarkeit der Kostenaufbringung für die am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten”, § 116 Nr. 1, 2. Hs. ZPO, enthält das Gesetz keine abweichende Regelung. Die pauschale Behauptung, es sei für die meisten Gläubiger ungewiss, ob sich ein Klageerfolg in Gestalt einer Quote für sie auszahle bietet, für eine Zumutbarkeitsprüfung keine ausreichende Grundlage.

 

Normenkette

ZPO § 116 Nr. 1, § 118

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 19.9.2002 wird der Beschluss der 11. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 29.8.2002 geändert.

Dem Kläger wird für die Klage Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt und Rechtsanwalt Dr. H. zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte erster Instanz beigeordnet.

 

Gründe

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter gegen die Beklagte offene Werklohnansprüche i.H.v. 1.048.305,24 DM aus einem Generalunternehmervertrag vom 3.12.1998 über die Errichtung einer Wohnanlage in K. geltend. Die Beklagte beanstandet die Abrechnung, beansprucht Vertragsstrafe und rügt Mängel.

Nachdem im Verlaufe des Rechtsstreites über das Vermögen der ursprünglichen Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, hat der Insolvenzverwalter den Rechtsstreit aufgenommen und – nach Erlass des Beweisbeschlusses durch das LG – Prozesskostenhilfe für das weitere Verfahren beantragt.

Das Insolvenzverfahren sei massearm. Dem Insolvenzverwalter könne grundsätzlich nicht aufgegeben werden, von den Gläubigern Vorschüsse anzufordern. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe solle die Regel sein. Da mehrere tausend Gläubiger aufträten, die durch fünf grosse Gläubiger im Gläubigerausschuss vertreten würden, sei die Anforderung von Vorschüssen nicht zumutbar.

Das LG hat mit dem angefochtenen Beschluss die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert, weil den vom Kläger selbst benannten fünf Grossgläubigern die Kostenaufbringung zumutbar sei, § 116 Ziff. 1 ZPO.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der geltend macht, die Forderungen der genannten fünf Gläubiger betrügen jeweils weit weniger als 1 % der insgesamt angemeldeten Forderungen. Insgesamt seien zur Insolvenztabelle angemeldet Forderungen im Werte von 56.921886,36 Euro. Gemessen daran betrage die eingeklagte Forderung mit lediglich 535.989,94 Euro weniger als 1 %. Ausserdem müsse – bei vollem Klageerfolg – dieser Betrag zunächst verwendet werden, die Masseunzulänglichkeit zu beseitigen oder abzumildern.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt, weil ein Nutzen für die Grossgläubiger evident sei.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 127 Abs. 2 und 3 ZPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Gemäß § 116 Nr. 1 ZPO erhält eine Partei kraft Amtes auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Kläger darzutun und auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen, § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO. Das hat er getan.

Aufgrund der Masseunzulänglichkeit kann der Kläger die Prozesskosten nicht aus der von ihm verwalteten Vermögensmasse aufbringen. Soweit er geltend macht, der Klagebetrag müsse verwandt werden, die Masseunzulänglichkeit zu mildern oder zu beseitigen, folgt daraus nicht, dass es den Massegläubigern zuzumuten sei, Kostenvorschuss zu leisten. Denn Massegläubigern kann das Risiko, dass der Insolvenzverwalter die Klageforderung nicht durchsetzen kann, nicht aufgebürdet werden, weil andernfalls sich niemand auf Geschäfte mit dem Insolvenzverwalter einlassen würde (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 116 10b m.w.N.).

Darüber hinaus hat der Kläger ausreichend dargelegt, dass es den am Rechtsstreit wirtschaftlich beteiligten Insolvenzgläubigern nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen.

Insoweit genügt es zwar nicht, dass die Klärung der Frage, ob und wer einen Vorschuss zahle, zeitraubend ist (die Klärung soll nach Angabe des Klägers mehrere Monate beanspruchen) und dass – wie der Kläger zunächst allgemein behauptet hat – es für die meisten Gläubiger ungewiss sei, ob sich ein Klageerfolg in Gestalt einer Quote für sie auszahle. Näherer Vortrag hierzu ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil – wie der Kläger meint – die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter die Regel und die Verweigerung die Ausnahme sein soll.

Richtig ist, dass der BGH in einer Entscheidu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge