Entscheidungsstichwort (Thema)
Einseitige notarielle Unterhaltsurkunde über Ehegattenunterhalt. Unzulässigkeit einer Leistungsklage statt einer Abänderungsklage bei begehrter Unterhaltserhöhung
Leitsatz (redaktionell)
Auch bei einseitiger Verpflichtungserklärung des Unterhaltsschuldners kann der Berechtigte eine Anhebung der titulierten Rente lediglich im Wege der Abänderungsklage geltend machen; ein „Wahlrecht auf Leistungsklage” steht ihm nicht zu.
Normenkette
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1, §§ 323, 794 Abs. 1 Nr. 5
Tenor
I. Der Senatstermin vom 23.5.2006 wird aufgehoben.
II. Das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Frist zur Stellungnahme: bis zum 8.5.2006.
Gründe
Soweit sich der Hauptantrag der Berufung nach seinem Wortlaut auch auf die Widerklage erstreckt, ist das Rechtsmittel bereits unzulässig, weil die Klägerin durch deren Abweisung nicht beschwert ist; hierauf ist sie hingewiesen worden (Verfügung vom 6.3.2006 unter Ziff. 3.b). Im Übrigen hat die Berufung weder rechtsgrundsätzliche Bedeutung noch Aussicht auf Erfolg (§§ 522 Abs. 2, 114 ZPO). Im Ergebnis zu Recht hat das AG die Klage als unzulässig angesehen; dies gilt sowohl für den auf Leistung gerichteten Hauptantrag wie auch für das hilfsweise geltend gemachte Abänderungsverlangen.
1. Die in erster Linie geltend gemachte Leistungsklage ist unzulässig; die Klägerin kann die erstrebte Heraufsetzung des titulierten Unterhalts nur im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO erreichen.
a) Die vollstreckbare Urkunde vom 18.4.2002 stellt einen Schuldtitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO dar und unterfällt daher gem. § 323 Abs. 4 ZPO dem Anwendungsbereich der Abänderungsklage. Die in der Berufungsbegründung erneut aufgegriffene gegenteilige Auffassung der Klageschrift, die Urkunde sei als einseitiges Schuldanerkenntnis "keine Vereinbarung i.S.d. § 323 Abs. 4 ZPO", ist offensichtlich unzutreffend. Jene Bestimmung erstreckt sich nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut auf sämtliche dort genannten Schuldtitel ohne Rücksicht auf eine in ihnen enthaltene (oder ihre Erstellung veranlassende) "Vereinbarung"; auch einseitige Verpflichtungserklärungen werden deshalb hiervon erfasst (BGH NJW 1984, 997; v. 27.6.1984 - IVb ZR 21/83, MDR 1985, 216 = NJW 1985, 64 [65]; BGH v. 29.10.2003 - XII ZR 115/01, BGHReport 2004, 19 = MDR 2004, 942 = FamRZ 2004, 24 = NJW 2003, 3770 [3771]).
b) Das von der Klägerin für sich in Anspruch genommene "Wahlrecht" zwischen Leistungs- und Abänderungsklage steht ihr nicht zu.
aa) Beide Klagearten stehen in einem Exklusivverhältnis; soweit die prozessuale Gestaltungsklage nach § 323 ZPO statthaft ist, nimmt sie den Parteien die Möglichkeit, auf anderem Wege eine (Neu-)Festsetzung der titulierten Unterhaltsrente herbeizuführen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Verpflichtete eine Herabsetzung oder der Berechtigte eine Anhebung des Zahlbetrages verlangt; auch im letzteren Fall ist ihm im Anwendungsbereich des § 323 ZPO unabhängig von Rechtskraft- oder sonstigen Bindungswirkungen des Titels die Leistungsklage ("Zusatz- oder Nachforderungsklage") verschlossen (BGH v. 3.4.1985 - IVb ZR 19/84, BGHZ 94, 145 [146] = MDR 1985, 654 = FamRZ 1985, 690 = NJW 1985, 1701; v. 15.10.1986 - IVb ZR 78/85, BGHZ 98, 353 [357] = MDR 1987, 302 = FamRZ 1987, 259 [262] = NJW 1987, 1201 [1202]; v. 2.7.2004 - V ZR 290/03, BGHReport 2004, 1442 = NJW-RR 2005, 371 [372]; Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 323, Rz. 19; jeweils m.w.N.). Gleichermaßen unerheblich ist es, ob die Unterhaltsrente durch Urteil oder in anderer Weise tituliert worden ist; auch wenn es sich um einen Prozessvergleich oder einen sonstigen der in § 323 Abs. 4 ZPO genannten Schuldtitel handelt, steht dem Berechtigten ausschließlich das Abänderungsverfahren offen (BGH v. 2.4.1998 - IX ZR 107/97, MDR 1998, 930 = FamRZ 1998, 896 [897] = NJW 1998, 2048 [2049]). Dass bei einer Urteilstitulierung in den Fällen einer (offenen) Teilklage ausnahmsweise die Nachforderungsklage gegeben sein soll (BGH v. 30.1.1985 - IVb ZR 67/83, BGHZ 93, 330 [336 f.] = MDR 1985, 560 = FamRZ 1985, 372 [373]= NJW 1985, 1340 [1342]; Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 323, Rz. 20, m.w.N.), stellt das Ausschließlichkeitsverhältnis beider Klagearbeiten nicht in Frage und ist auf Schuldtitel i.S.d. § 323 Abs. 4 ZPO ohnehin nicht übertragbar, weil dort - anders als bei der Teilklage - die Eröffnung der Nachforderungsforderungsklage nicht auf eine Initiative des Berechtigten rückführbar ist; bei einseitigen Verpflichtungserklärungen des Unterhaltsschuldners ist für eine derartige Einschränkung von vornherein kein Raum (oben a).
Das Exklusivitätsverhältnis zwischen Abänderungs- und Leistungsklage schließt die Annahme eines "Wahlrechts" des Berechtigten aus; die gegenteilige Auffassung der von der Klägerin zitierten Entscheidung (BGH v. 16.1.1980 - IV ZR 115/78, MDR 1980, 385 = FamRZ 1980, 342 f.) is...